GEBURTSTAGSWÜNSCHE : Nach Norden
Er fragte mich, was ich mir zum Geburtstag wünsche, und ich sagte, nichts, also jedenfalls nichts, was man so schenken könnte. So weit ist es mit dir schon gekommen, sagte er, du wirst doch gerade mal 25, oder? Ja, sagte ich, und was sagt das? Nichts, sagte er.
Wir schwiegen eine Weile und ein Haufen Kinder rannte vorbei. Er sagte, du nimmst doch auch Medikamente, oder? Ja, sagte ich, das tun wir doch alle. Dann wünsch dir eine hübsche kleine Pillendose, sagte er. Du spinnst, sagte ich. Eine Pillendose hat Stil, sagte er. Und ich sagte, ja, aber ich habe keinen. Wieder schwiegen wir.
Niemand rannte vorbei und in diesem Moment dachte ich, es wäre gut, jetzt zu rauchen, dann würde der Rauch die Stille füllen und es wäre alles cooler.
Na ja, sagte ich, zum Beispiel würde ich mir wünschen, dass die Fenster in meiner Wohnung nicht nach Norden rausgehen, sondern nach Süden oder Westen oder Osten, egal, aber nicht in den Scheißnorden. Aber die Wohnung möchte ich behalten, verstehst du, das geht nicht. Er nickte. Und ich möchte mehr Zeit haben, viele Bücher lesen und abends auf dem Balkon sitzen, den ich nicht habe. Er nickte.
Wir schauten beide gleichzeitig zum Bäcker, da saßen Leute draußen, obwohl es ein bisschen kalt war. Sie hatten diese roten Fleecedecken und pummelten sich darin ein. Eine Frau sagte, sie habe Google Earth installiert, endlich, aber es funktioniere irgendwie nicht. Ihr Gegenüber fragte, wieso, was denn da nicht gehe. Weiß nicht, sagte sie, da passiert nichts, also ich kann nicht mal die Erde drehen. Sie sagte das einfach so: nicht mal die Erde drehen.
Ich dachte, ja, das ist vielleicht auch mein Problem. Wenn ich die Erde drehen könnte, dann könnte ich sie unter unserem Haus so lang drehen, dass die Sonne in die Fenster scheint. Das wäre ein Problem weniger.
MARGARETE STOKOWSKI