piwik no script img

Archiv-Artikel

Minister als Obstverkäufer

Bundesagrarminister Christian Schmidt (Foto) steht eigentlich für eine „moderne Landwirtschaft“, die sich am Markt behaupten könne. Der CSU-Politiker warnt immer wieder davor, den Bauern zu viele Auflagen etwa im Sinne der Umwelt zu machen.

Doch seit Russland wegen der Ukrainekrise die Importe beispielsweise von Fleisch, Milch und Gemüse aus der Europäischen Union untersagt, ruft auch Schmidt nach dem Staat. Diese Woche forderte er, die EU solle die kostenlose Verteilung von Obst und Gemüse in Schulen zu 100 Prozent finanzieren. Bisher müssen die Bundesländer 25 Prozent übernehmen, weshalb manche solche Programme gar nicht erst auflegen. Zu den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Subventionen für die Lagerung von Milchprodukten will Schmidt sich erst äußern, wenn die Details bekannt sind. Die Behörde möchte etwa die ursprünglich für Russland bestimmte Butter zwischenlagern, um den Markt zu entlasten. Schmidt kündigte aber sehr wohl schon jetzt an, im Ausland neue Absatzmärkte für die deutsche Landwirtschaft zu erschließen – wie das der Bauernverband verlangt, der von der Agrarindustrie dominiert wird. In Kürze will der Minister nach China aufbrechen.

Hätte der 57-Jährige auf die Kritiker der herrschenden Agrarpolitik gehört, könnte er sich solche Reisen sparen. Friedrich Ostendorff etwa, Landwirtschaftsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, warnt schon lange davor, wie gefährlich die zunehmende Abhängigkeit der deutschen Landwirtschaft vom Export sei. „Die, die am stärksten den Weltmarkt fordern“, sagt Ostendorff, „sind nun die, die am stärksten die staatliche Unterstützung einklagen, wenn der Markt nicht funktioniert und Absatzmärkte wegbrechen.“ JOST MAURIN