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Archiv-Artikel

HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD Der Mann von der Bausparkasse

Eineinhalb Millionen Menschen verlieren ihre Riester-Förderung. Jetzt stellt sich eine Vertrauensfrage

Er kam von der Mainzer Bausparkasse. Er war dick, schwerfällig und lebte in einem der Nachbardörfer. Ich mochte ihn nicht, aber das spielte keine Rolle. Er kam unbeirrt jedes Jahr und sorgte zuerst dafür, dass meine Eltern ihre Bausparförderung bekamen und dann dafür, dass die Finanzierung für ihr Haus inklusive aller denkbaren Fördergelder glattging.

Solche gibt es offenbar nicht mehr, habe ich schon oft gedacht. Diese Woche wieder. Eineinhalb Millionen Menschen hat der Staat ihre Riester-Förderung weggenommen. 500 Millionen Euro. Das mögen Peanuts sein in Zeiten von Banken- und Finanzkrise. Aber für die Betroffenen bedeutet es, dass einige hundert Euro an Förderung für die Altersvorsorge nicht zur Verfügung stehen. Schlimmer noch: Es geht hier um Vertrauen.

Es sind eineinhalb Millionen Menschen, die neben dem Vertrauen in den Willen des Staates zur privaten Altersvorsorge auch das Vertrauen in die Bereitschaft ihres Finanzdienstleisters verlieren, für sie als Kunden da zu sein.

Am Anfang stand der Bericht des Bayrischen Rundfunks über eine Frau, die noch ein Kind bekam und wegen der staatlichen Zuschüsse zur gesetzlichen Rente ihre Ansprüche auf die Förderung der privaten Rente verliert – eine bürokratische Posse. Dann wurde klar, dass Hunderttausende ihre Förderung verlieren, weil der Staat nicht direkt mit ihnen über die Gefahr für ihre Förderung redet, sondern das Geld gleich vom Altersvorsorgekonto abbucht. Abhilfe könnten nur die Versicher und Banken schaffen, bei denen diese Konten liegen. Sie müssten mitteilen, dass der Staat ins Altersvorsorgekonto gegriffen hat und erklären, wie man diesen Zugriff wieder rückgängig macht, wenn das denn möglich ist. Dass sie sich nicht kümmern, ist ein wirtschaftlicher Skandal.

Es mag Kunden geben, die tatsächlich kein Recht auf Förderung haben und bei denen es nicht um Schlamperei und bürokratische Spitzfindigkeiten geht, aber das ist sicher nicht die Mehrzahl der Fälle. Eher andersherum: In den vergangenen Jahren haben Millionen von Kunden die ihnen zustehenden Zulagen nicht abgerufen und so Milliarden an den Staat verschenkt.

Vor dem Hintergrund klingt es unglaublich, wenn das Finanzministerium erklärt, der Griff aufs Konto treffe vor allem Bürger, die Geld vom Altersvorsorgekonto abgehoben und damit Autos oder Reisen bezahlt hätten. Liebe Ministerialbeamte, die Riester-Sparer haben im Gegensatz zu Euch gar keinen solchen Zugriff auf ihr Konto. Sie können nur den Vertrag kündigen. Wenn sie das Geld nicht auf einen anderen Riester-Vertrag einzahlen, müssen Sie ihre Förderung zurückgeben. Das Riester-Konto ist kein Girokonto!

Wer mit Milliarden für die Banken jongliert, verliert die Millionen Bürger schon mal aus dem Augen. Dieser Umgang mit der Altersvorsorge von Menschen ist ein politischer Skandal. Gegen ihn wäre auch der Mann von der Mainzer Bausparkasse machtlos gewesen.

Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest Foto: Karsten Thielker