: Gedenken nach 66 Jahren
GESCHICHTE Ein neues Schild erinnert an vier von den Nazis ermordete Polizisten. Grund für ihre Hinrichtung: Sie waren angeblich schwul. Über die Opfer ist kaum etwas bekannt
VON SARAH KOHLHAUER
Den gelben Pfeiler am Eingang der Spandauer Polizeistation in der Moritzstraße ziert eine unauffällige schwarze Gedenktafel. Darauf stehen, in goldener Schrift, die Namen von vier Polizisten und der Satz: „Sie sind unvergessen“. Am 24. April 1945 – unmittelbar vor dem Untergang des Naziregimes – waren die vier Männer wegen des „Verdachts der Homosexualität“ erschossen worden. Seit vergangener Woche – fast 66 Jahre nach der Tat – erinnert die Gedenktafel an das Verbrechen.
„Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte ist von der Polizei mitgeschrieben worden“, erklärte Polizeipräsident Dieter Glietsch bei der Enthüllung der Gedenktafel. Glietsch sprach sich für eine „offene Auseinandersetzung“ mit der Polizeigeschichte aus. Durch den berüchtigten Paragrafen 175 seien viele Homosexuelle von Polizisten bestraft und verfolgt worden. Und deren Misstrauen gegenüber der Polizei sei „bis heute spürbar“, sagte der Polizeipräsident.
Im April 1945 befand sich auf dem heutigen Gelände der Spandauer Polizeistation die Polizeiarrestanstalt. Die meisten Häftlinge der Anstalt wurden im Frühjahr 1945 begnadigt – und dann zum „Endkampf“ abkommandiert. Doch Otto Jordan, Reinhold Höpfner, Willi Jenoch und der Polizist Bautz – dessen Vorname unbekannt ist – wurden ermordet. Grundlage des Todesurteils bildete der Erlass zur „Reinhaltung der SS und Polizei“, der Homosexualität bei Polizeibeamten mit dem Tode bestrafte.
Ein Erschießungskommando brachte die vier Polizisten von der Arrestanstalt zum Polizeibarackenlager in der Pionierstraße. Hier wurden sie ermordet, ihre Leichen verscharrt. Die Überreste sind bis heute nicht gefunden. Auch über ihr Leben – ob sie wirklich homosexuell waren, wie alt sie waren, wie sie bei der Polizei eingesetzt wurden – ist nichts bekannt. Lediglich von Otto Jordan, der Meister der Schutzpolizei in Neukölln war, weiß man, dass er durch die Denuziation eines Kollegens „in den Verdacht der Homosexualität“ geriet.
„Es gibt keine Akten“, sagt Bernd Grünheid, Projektleiter von Kulturring, einem Berliner Kunst- und Kulturverein. Der Verein hat sich mit der Verfolgung von Schwulen in der Nazizeit beschäftigt und vor fünf Jahren die Ausstellung „Ausgrenzung aus der Volksgemeinschaft – Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit“ erstellt. Nun konnte die Ausstellung um die Spandauer Opfer ergänzt werden. Zwei Jahre lang hatten sich MitarbeiterInnen des Kulturrings speziell mit deren Schicksal beschäftigt. Unterstützung erhielten die Laien, deren Stellen Teil des Öffentlichen Beschäftigungssektors (ÖBS) sind, von WissenschaftlerInnen der AG Rosa Winkel, ebenfalls beim Kulturring angesiedelt.
„Durch die Prozessakte von Alfred Wandelt sind wir auf die Tat aufmerksam geworden“, berichtet Grünheid. Alfred Wandelt, der Leiter des Erschießungskommandos, wurde als einziger Täter wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit und politisch motivierten Mord zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach lediglich fünf Jahren wurde er begnadigt.
Der Inititative des Kulturrings ist es auch zu verdanken, dass die Gedenktafel an der Polizeiwache hängt. Erst durch die Recherchen des Vereins sei die Polizei auf die Tat überhaupt aufmerksam geworden, sagte Polizeisprecherin Andrea Meier. Dabei hätte dies durchaus schon früher geschehen können: Bereits im Jahr 1997 hatte die Ausstellung „100 Jahre Schwulenbewegung“ auf die Erschießung der vier Polizisten hingewiesen. Diese Ausstellung war damals auch im Polizeipräsidium gezeigt worden.