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Archiv-Artikel

Preußischer Punktstrahler

Jetzt geht’s aber los: Potsdams Wettbewerbsfähigkeit liegt noch vor der von Hamburg oder Wiesbaden

Von MRE

Böse Zungen aus der BRD, die da vor Jahren behauptet hatten, dass die Wiedervereinigung für alle Beteiligten glücklicher gelaufen wäre, wenn man einfach Potsdam und die Insel Rügen bekommen hätte und den Rest den Ossis gelassen hätte, mögen sich bestätigt fühlen: Die Stadt Potsdam gehört laut „Zukunftsatlas 2007“, einer im Auftrag des Handelsblatts vom Schweizer Beratungsunternehmen Prognos erstellten Studie, zu den Top-Aufsteigern. Die ehemalige Residenz der preußischen Könige liegt auf Platz 15 der wettbewerbsfähigsten deutschen Städte – und damit noch vor Hamburg (Platz 17) oder Wiesbaden (Platz 16).

Potsdam bildet mit Dresden und Jena ein glorreiches Triumvirat, das sich im Gesamtranking auf den vorderen 20 Plätzen behaupten konnte, umgeben von den üblichen Verdächtigen aus Süddeutschland – selbstverständlich sind Bayern und Baden-Württemberg weiterhin die Boomregionen Deutschlands.

Das Beispiel Potsdam zeigt jedoch, wie wenig aussagekräftig ein solcher Befund für die gesamte Entwicklung der Wirtschaft in Ostdeutschland ist. Die brandenburgische Landeshauptstadt ist in Wahrheit ein verlängerter Arm der Berliner Wohlstandsviertel Dahlem und Zehlendorf.

Seit der Wiedervereinigung halten es hier die Reichen und Schönen recht gut aus – inmitten und am Rande von Lenné-Parklandschaften, preußischen Prachtschlössern und Schinkel-Bauten haust nun statt Adel und preußischem Offizierskorps die bundesdeutsche Medienaristokratie nebst Anhang. Siehe Günther Jauch und Wolfgang Joop.

Berliner machen hier gerne mal einen Ausflug hin, um sich vom stressigen Pleitealltag ihrer Metropole zu erholen, und Brandenburger kommen ins „Stern-Center“ zum Shoppen oder auf einen Bummel ins Holländische Viertel – mal ein bisschen Glanz & Gloria statt immer nur märkischer Sand und Hartz IV.

Potsdam mag ein Leuchtturm sein, leider strahlt er nicht wirklich aus, ähnlich verhält es sich mit Dresden und Jena. „Die Fortschritte im Osten sind da, aber sie sind leider sehr punktuell“, sagt Prognos-Geschäftsführer Christian Böllhoff. Die Leuchttürme sind in in Wahrheit bloß Punktstrahler. Rundherum bleibt es dunkel. MRE