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Archiv-Artikel

Frühe Deeskalation

KONFLIKTBEILEGUNG Das geplante Mediationsgesetz steht in der Kritik. Statt auf außergerichtliche Vermittlung wird weiter auf die „gerichtsinterne Mediation“ gesetzt

Es fehlen einfach Förderinstrumente für außergerichtliche Verfahren

VON OLE SCHULZ

Sie ist in aller Munde, spätestens seitdem Heiner Geißler im Konflikt um Stuttgart 21 erfolgreich vermittelt hat: die Mediation. Zwar ist Geißler kein ausgebildeter Mediator, doch seine ausgewogene Moderation half bei der Entschärfung der festgefahrenen Auseinandersetzung. Wie ein professioneller Mediator brachte er die Streitparteien an einen Tisch, half ihnen, selbst Lösungsansätze zu entwickeln, und verzichtete dabei auf einen Schlichterspruch. Wichtig ist bei einer Mediation immer: Der Mediator muss neutral sein und das Ziel verfolgen, dass am Ende nicht nur eine freiwillige, von den Streitenden erarbeitete Einigung steht, sondern dabei auch eine Klärung der Konfliktursachen stattgefunden hat.

Schon seit Jahren boomt nicht nur der Ausbildungsmarkt für Mediatoren, sondern auch die Wirtschaft hat die Bedeutung der Mediation erkannt – 2008 wurde der „Round Table Mediation und Konfliktmanagement der Deutschen Wirtschaft“ gegründet, dem rund 30 Unternehmen angehören, darunter solche Riesen wie Bayer, die Deutsche Telekom und Siemens. Denn gerade bei hohen Streitwerten können außergerichtliche Vergleiche helfen, viel Geld zu sparen.

Seit 2005 Modellprojekte

Die Erkenntnis, dass Konfliktbeilegungen ohne teure Prozesse generell sinnvoll sind, ist kaum von der Hand zu weisen. Mittlerweile hat darauf auch der Gesetzgeber reagiert. Seit 2005 laufen in verschiedenen Bundesländern Pilotprojekte zur richterlichen Vermittlung und Mediation, und nun hat das Bundesjustizministerium einen Entwurf für ein „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren außergerichtlicher Konfliktbeilegung“ vorgelegt, der im Januar vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Damit will Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Vorgaben einer entsprechenden EU-Richtlinie umsetzen.

Die meisten Experten sind sich zwar einig darin, dass ein „Mediationsgesetz“ längst überfällig ist, auch weil die verschiedenen Formen der Mediation bisher weitgehend ungeregelt sind. Doch der vorliegende Entwurf wird zum Teil scharf kritisiert – sowohl von anwaltlichen und richterlichen Berufsverbänden als auch von der Opposition.

Die Grünen-Abgeordnete Ingrid Hönlinger, Mitglied des Rechtsausschusses des Bundestags, hatte eine Kleine Anfrage zum Thema gestellt – vor allem um die Frage zu erhellen, inwieweit die Justiz heute schon durch die Modellversuche zur richterlichen Mediation entlastet wird. „Leider erhielt ich keinerlei inhaltliche Aussage“. Das lässt laut Hönlinger nur den Schluss zu, dass die Bundesregierung „keinen Überblick über die aktuelle richterliche Vermittlung hat“.

Nicht nur Hönlinger befürchtet, dass die konkrete Ausgestaltung des „Mediationsgesetzes“ unter diesen Vorzeichen eine falsche Richtung nimmt. Auch Michael Plassmann, Berliner Rechtsanwalt und Mediator, hält die generelle Zielsetzung zwar für „positiv“, vermisst aber insbesondere „Anreize zur Förderung der außergerichtlichen Mediation“. Eine echte Justizentlastung, die ein Ziel des Gesetzes sein soll, könne so nicht erreicht werden.

Denn während die sogenannte „gerichtsinterne Mediation“, bei der ein nicht entscheidungsbefugter Richter mit mediativen Techniken auf eine einvernehmliche Lösung ohne Gerichtsurteil hinwirkt, nach dem Gesetzesentwurf auf eine „ausdrückliche rechtliche Grundlage“ gestellt werden soll, droht die „außergerichtliche Mediation“ weiter ein Schattendasein zu fristen.

„Es fehlen einfach Förderinstrumente für außergerichtliche Verfahren“, sagt Plassmann, der Vorsitzender des Ausschusses für Außergerichtliche Streitbeilegung der Bundesrechtsanwaltskammer ist. Weder eine Mediationskostenhilfe noch Kosten- und Gebührenanreize für die außergerichtliche Mediation sind in dem Entwurf vorgesehen“. In Folge könnten richterliche Mediatoren weiterhin ohne zusätzliche Kosten in Anspruch genommen werden. Von einer Justizentlastung könne daher keine Rede sein.

Plassmann meint, dass ausgebildete Fachleute den Richtern die Arbeit als Mediatoren im Vorfeld abnehmen sollten: „Es geht gerade darum, in einem frühen Stadium – idealerweise bevor durch Klageschriften weiteres Öl ins Feuer gegossen wird – die Weichen für eine gewünschte Deeskalation zu stellen, um so die Erfolgschancen für eine Einigung deutlich zu erhöhen.“

Anreize für Mediationen

Plassmann plädiert daher für eine „Privilegierung“ solcher Streitparteien, die vor Einleitung einer Klage ein außergerichtliches Mediationsverfahren absolvieren – zum Beispiel, indem diese „beim Scheitern der Mediation im Falle einer späteren Rechtsverfolgung lediglich die Hälfte der Gerichtsgebühren aufbringen müssen“. Das könnte sich rechnen: Laut Angaben des Bundesverbandes Mediation liegt die Erfolgsquote solcher Vermittlungsverfahren bei rund 75 Prozent. Auch wenn mehr als ein Viertel der Parteien zu halbierten Kosten vor Gericht zöge, würden die ersparten Verfahren der Justiz immer noch deutlich weniger Arbeit bereiten.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Mediation ist aber fraglos auch ein geeigneter Mediator – und dabei stehen betroffene Verbraucher häufig vor einem Problem: Die Berufsbezeichnung Mediator ist in Deutschland gesetzlich nicht geschützt und die Mediationsausbildung rechtlich nicht geregelt. Laut Michael Plassmann gibt es dennoch viele „seriöse Mediatoren mit qualifizierter Ausbildung“. Solche Ausbildungen werden unter anderem von den Mediationsverbänden angeboten, und auch an einigen Universitäten kann man inzwischen in Masterstudiengängen den akademischen Grad eines Mediators erwerben.