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Archiv-Artikel

Der Beschuldigte

Stefan Wisniewski soll am 7. April 1977 Siegfried Buback erschossen haben

„WIR WAREN SO UNHEIMLICH KONSEQUENT …“

Am 11. 10. 1997 veröffentlichte die taz ein Gespräch mit Stefan Wisniewski, das im Gefängnis für Langzeitstrafen in Aachen geführt wurde. Einige Auszüge:

– über den Generalbundesanwalt Siegfried Buback: Buback war der oberste „Terroristenjäger“ und für die Haltung gegenüber den Gefangenen verantwortlich. Für uns war er auch verantwortlich für den Tod Siegfried Hausners, den er aus Stockholm abtransportieren ließ, obwohl Hausner lebensgefährlich verletzt war. Und wir sahen in ihm den Verantwortlichen für den toten Trakt und die Haftbedingungen von Ulrike Meinhof. Dem wollten wir Grenzen setzen.

– über den RAF-Aussteiger Peter-Jürgen Boock: Ich habe keine Lust, die jeweils neueste Variante von Boock zu kommentieren. Auf ihn trifft zu, was Régis Debray in seinem Buch „Kritik der Waffen“ über die Guerillabewegung in Lateinamerika sagte: „Die größten Militaristen werden die besten Renegaten.“ Während Boock wie ein Tanzbär durch die Talkshows tapst, haben andere, wie Brigitte Mohnhaupt, die in einem bayerischen Knast weggebunkert ist, keinerlei Möglichkeit, sich dazu zu äußern.

– über die RAF: Wir waren so unheimlich konsequent, als es darauf angekommen wäre, menschliche Stärke und Großzügigkeit zu zeigen, und waren politisch so wenig radikal, sogar harmlos, als es darum ging, die gesellschaftlich Verhältnisse umzuwälzen und zum Tanzen zu bringen.

Von HEIDE PLATEN

Stefan Wisniewski wurde 1953 in einem Schwarzwalddorf nahe Freudenstadt geboren. Sein Vater war als polnischer Zwangsarbeiter in einem KZ-Außenlager interniert. Als er starb, war Wisniewski ein Kleinkind, seine jüngere Schwester noch nicht geboren. Der frühe Tod des Vaters, so der Sohn später, war die Folge von Entbehrungen, der „Vernichtung durch Arbeit“. Die Kinder wuchsen in einer Atmosphäre der Angst auf. Im Ort, so Wisniewski, habe es noch etliche ehemalige SS- und SA-Männer gegeben, die nicht erfahren sollten, wer sein Vater war.

Wisniewski begann 1968 als 14-Jähriger eine Lehre als Elektroinstallateur und schmiss sie hin. Er landete „wegen Erziehungsschwierigkeiten“ in einem Heim. Siebenmal riss er aus und wurde von der Polizei zurückgebracht, ehe er nach einem Jahr entlassen wurde. Er flüchtete aus der Enge der Provinz und heuerte im Hamburger Hafen als Maschinist an. Er war 20 Jahre alt, als er nach Hamburg zurückkehrte. Er lernte Leute aus der antiimperialistischen Linken kennen, fühlte sich von deren Freiheitsdrang, vom Protest gegen das Establishment, dem Widerstand gegen den Staat angezogen. In der „Roten Hilfe“ engagierte er sich für die politischen Gefangenen, besuchte in Berlin inhaftierte Frauen. 1975, nach dem Tod von Holger Meins, ging er in den Untergrund.

Über seine Kindheit und den Weg in die RAF erzählte er ausführlich, als ihn die taz-Redakteure Petra Groll und Jürgen Gottschlich 1997 im Gefängnis in Aachen besuchten. Da hatte er fast zehn Jahre Haft hinter sich.

Im Jahr 1978 war er in Paris festgenommen worden, in einer Blitzaktion nach Deutschland ausgeliefert und der Entführung und des Mordes an Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer angeklagt worden. Drei Jahre saß er in Untersuchungshaft, ehe er 1981 vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt wurde. Sieben Monate Haft erhielt er zusätzlich, weil der einem Richter des Bundesgerichtshofes „auf die Nase gehauen“ hatte. Schon vor seiner Entlassung 1999 hatte er eingestanden, dass der Weg der RAF in eine Sackgasse geführt habe. Sowohl die Ausrichtung auf den antiimperialistischen Kampf als auch die Konzentration auf die Befreiung der Stammheimhäftlinge Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe seien realitätsfremd gewesen.

Im Gefängnis war er immer wieder von der offiziellen RAF-Linie der Anerkennung des Status als politische Gefangene abgewichen und hatte sich für die Aufnahme in den Normalvollzug eingesetzt. Zur Ermordung des Generalbundesanwaltes Siegfried Buback im April 1977, die ihm jetzt zur Last gelegt wird, sagte er 1997, der sei „der oberste Terroristenjäger“ gewesen: „Und wir sahen in ihm den Verantwortlichen für den toten Trakt und die Haftbedingungen für Ulrike Meinhof, dem wollten wir Grenzen setzen.“

Nach seiner Freilassung trat Wisniewski unter anderem in Hamburg und Köln mehrmals in öffentlichen Diskussionen auf. Seine Redebeiträge kreisten vor allem um die Aufarbeitung der Fehler der RAF, die es künftig zu vermeiden gelte.