…WAS MACHT EIGENTLICH ... Ingeborg Junge-Reyer? : In den Untergrund gehen
Bergleute sind ein abergläubisch Völkchen. Kein Wunder: Ihr Gewerbe gehörte früher zu den gefährlichsten. Schlagende Wetter, Erdrutsche, Wassereinbrüche – gegen solche Unbill wollte man sich mit allen Mitteln wappnen. Und weil es im christlichen Abendland für alles einen Schutzheiligen gibt, vertraut man sich auch im Bergbau einer Patronin an – der Heiligen Barbara. Traditionell wird beim Anstich eines neuen Stollens eine Barbarafigur in die Bergwand eingelassen.
Was das mit Ingeborg Junge-Reyer zu tun hat? Ganz einfach: Die Stadtentwicklungssenatorin geht heute eine Patenschaft für einen neuen Abschnitt des Tunnels der U 55 ein, quasi in Vertretung der heiligen Barbara. Das Segment, das vom Pariser Platz bis Unter den Linden vorgetrieben wird und irgendwann den Bahnhof Brandenburger Tor aufnehmen soll, entsteht nämlich – anders als die meisten anderen Berliner U-Bahn-Tunnel – in bergmännischer Bauweise.
Eine Heiligenbild wird die SPD-Politikerin den Arbeitern heute nicht überreichen, teilte die BVG mit. Das wäre im säkularen Berlin vielleicht auch ein bisschen dick aufgetragen. Allerdings wird der Tunnel Frau Junge-Reyers Vornamen erhalten. Und eine Gedenktafel im Schacht weist auf „Tunnel Ingeborg“ hin. Bahnbrechend neu ist dieses Prozedere in Berlin übrigens nicht: Schon 1997 taufte man den ersten Abschnitt des Tiergartentunnels auf den Namen „Hannelore“ – nach der Gattin des damaligen Bundeskanzlers.
Bei den Tunnelbauern sind solche Taufen besonders beliebt, wie gestern zu erfahren war: Sie müssen den ganzen Tag nicht arbeiten. CLP FOTO: AP