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Archiv-Artikel

DENIZ YÜCEL ÜBER DIE GRÜNDE FÜR DIE KURDENPROTESTE Denen hilft eh niemand

Die Kurden sind auf der Straße, weil sie der Türkei Untätigkeit vorwerfen, berichten deutsche Medien. Klingt plausibel, ist aber mindestens irreführend. Denn eine Intervention des türkischen Militärs lehnen die Kurden vehement ab, hat das türkische Parlament doch die Regierung dazu ermächtigt, gegen „den IS und andere Terrororganisationen“ vorzugehen. Präsident Erdogan hatte lange gezögert, den Islamischen Staat als terroristisch zu bezeichnen, nur um dann zu erklären, IS und PKK seien das Gleiche.

Dies empfinden die Kurden zu Recht als brüskierend. Denn die einen sind mörderische Gotteskrieger, die anderen eilten den Jesiden zu Hilfe. Die einen vergewaltigen systematisch Frauen und verschleppen sie als Kriegsbeute, in den Reihen der anderen kämpfen zahlreiche Frauen. Die einen haben einen terroristischen Gottesstaat errichtet, das Gebiet der anderen („Rojava“) ist der einzige Teil Syriens, in dem sich die Dinge nach dem Aufstand gegen Assad zum Besseren gewendet haben, trotz des Kriegszustandes. Diese erkämpfte Autonomie ist der Grund, warum sie Kobani so erbittert verteidigen und warum die Kurden in der Türkei mit ihnen sympathisieren.

Zugleich protestieren sie gegen die heimliche türkische Unterstützung für die Dschihadisten. Und sie wollen, dass die Türkei Waffenlieferungen zulässt und einen Korridor für kurdische Kämpfer einrichtet. Von den USA fordern sie – wenngleich inoffiziell – eine effektive Bekämpfung des IS aus der Luft. Als westliche Staaten beschlossen, Waffen an die nordirakischen Peschmerga zu liefern, aber zugleich klarmachten, dass sie PYD und PKK nicht unterstützen würden, haben die Dschihadisten dies als Einladung aufgefasst. Ihr Kalkül: Denen wird keiner helfen. Dieses Gefühl kennen die Kurden nur zu gut. Auch deshalb sind sie auf der Straße. Vor allem deshalb.