: Die Mehrheit entdeckt das Meer
Überraschende Wende in der Naturschutzpolitik: CDU-Fraktion legt einen Eilantrag zur Rettung der Meere im Europaausschuss vor – und die rot-grüne Opposition kann daran kaum einen Makel finden
Von Sven-Michael Veit
Manuel Sarrazin ist freudig überrascht: „Das ist eigentlich ein grünes Papier“, sagt der Vertreter der GAL im Europaausschuss der Bürgerschaft über einen kurzfristig eingereichten CDU-Antrag „Meerespolitik für Europa“. Inhaltlich sei daran „nichts auszusetzen“, sagt auch der Ausschussvorsitzende Günther Frank (SPD). Und Rolf Harlinghausen (CDU) freut sich über die „sehr weitgehende Übereinstimmung aller Fraktionen“.
Im Konsens beschloss das Gremium gestern Abend, dass Ost- und Nordsee erstens noch zu retten seien und zweitens auch flugs gerettet werden sollten. Nur bei einem von fast 50 Punkten mochte Sarrazin nicht mitspielen: Das Festhalten an der Elbvertiefung mussten Schwarz und Rot ohne ihn befürworten. In allen anderen Teilen liest sich das Papier, dem nun die offizielle Absegnung durch die Bürgerschaft sicher ist, als wäre es von Greenpeace oder dem WWF geschrieben worden.
Die Ausweisung weiterer Meeresschutzgebiete wird dort ebenso gefordert wie Maßnahmen gegen die Überdüngung und Vergiftung von Flüssen und Meeren durch die konventionelle Landwirtschaft. Der Förderung regenerativer Energien steht die Forderung nach einem „Verbot zerstörerischer Fischereipraktiken“ und nach „drastischer und dauerhafter Reduzierung“ der Fischfangquoten gegenüber.
Auch wird das Prinzip „European Clean Shipping“ voll unterstützt, mit dem Schadstoffemissionen der Schifffahrt gesenkt werden sollen. Die Lotsenpflicht auf riskanten Fahrtrouten wie der Kadettrinne in der Ostsee befürwortet man ebenso wie eine Verpflichtung der Reedereien, rascher als bisher nur noch Doppelhüllentanker zu betreiben. Zudem solle Hamburg sich wissenschaftlich intensiver mit den Meeren befassen durch Einführung eines Studienfaches „integrierte Meerespolitik“ und Beteiligung an Kartierungen und Analysen von Meeresökosystemen.
„Wirtschaftliche Entwicklung und der Schutz der Meere bedingen sich gegenseitig“, begründet Harlinghausen das Papier. Die seit einem Jahr geführte Diskussion über das Meeresgrünbuch der EU und die neu entbrannte Klimaschutzdebatte hätten „Fragen der Nachhaltigkeit“ in den Vordergrund geschoben.
Sozialdemokrat Frank hat nun die Hoffnung, „dass auch der bislang zögerliche Senat endlich aktiver wird“. Der habe das Meeresthema bislang „nur unter wirtschaftspolitischen Aspekten“ gesehen. Einen Zusatzantrag der SPD, vom Senat einen Rechenschaftsbericht über seine Meerespolitik zu verlangen, lehnte die CDU allerdings mit ihrer Ausschussmehrheit ab. Das sei, sagt Harlinghausen, „nicht zielführend“.