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Archiv-Artikel

Der kühle Sanfte

Der alte und neue Bremer Landeschef Jens Böhrnsen ist ein stiller Mann. Während sein Vorgänger Henning Scherf wegen seiner Körperlänge und seiner überschwänglichen Begrüßungen zuletzt nur noch als „der große Umarmer“ tituliert wurde, legt der 57-Jährige auch beim Gang durch Menschenmengen keinen Wert auf Körperkontakt. Und sein Händedruck ähnelt dem eines Pastors: behutsam, warm und ausgesprochen sanft.

Böhrnsen gilt als umgänglich und einfühlsam. Sein Wahlkampf bestand in erster Linie aus einem immensen Programm an Bürgerbegegnungen: Mädchentreff, Off-Theater, Stadtteilgruppe, Altenheim und Werftbelegschaft. Dort konnte Böhrnsen seine große Stärke ausspielen, das direkte Gespräch: Stets vermittelt er dem Gegenüber den Eindruck, dass das Anliegen verstanden sei und nun geprüft wird. Nicht wenige hatten befürchtet, der SPD-Spitzenkandidat könne nach dem Tod seiner Frau zu Beginn der heißen Wahlkampfphase im März die Brocken hinschmeißen. Nach Tagen der Ungewissheit machte er dann aber einfach weiter. Gleichzeitig war der Trauerfall das Ereignis, bei dem der publikumsscheue Verwaltungsrichter erstmals von der großen Masse als Mensch wahrgenommen wurde, der Gefühle auslösen kann: Anteilnahme, Mitleid und, ja, auch Sympathie. Mittlerweile kennen ihn 78 Prozent der BremerInnen. Die meisten mögen ihn.

Als Bürgermeister amtiert Böhrnsen erst seit einem guten Jahr. Der SPD-Fraktion der Hansestadt gehörte er seit 1995 an, von 1999 bis zu seinem Amtsantritt sogar als ihr Vorsitzender. Die Erfahrung in der Bürgerschaft, die seinem Vorgänger gänzlich fehlte, prägt Böhrnsens Regierungsstil: Die Kontrollfunktion der Volksvertretung „wird ernst genommen“, hört man es anerkennend aus den parlamentarischen Reihen raunen. In Bremen ist so etwas eine echte Neuerung.

Anders als Scherf schreckt Böhrnsen, 1949 im Arbeiterstadtteil Gröpelingen geboren, vor spontanen Zusagen und Versprechungen zurück. Fast störrisch hat er den gesamten Wahlkampf über daran festgehalten, keine feste Koalitionsaussage zu machen, allem Gezerre von CDU, Linkspartei, Grünen und auch allem Druck der eigenen Parteiführung zum Trotz. „Einzigartig“ nannte, verschnupft, Kanzlerin Angela Merkel dieses Verhalten bei ihrem Wahlkampfauftritt am vorigen Freitag und forderte, man dürfe „ihm das nicht durchgehen lassen“. Die grüne Spitzenkandidatin Karoline Linnert hingegen bezeichnet Böhrnsen als „einen ernsthaften Politiker“. Gut möglich, dass ihr das mehr einträgt als einen warmen Händedruck.

BENNO SCHIRRMEISTER