piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Angehimmelten

Die Bischöfe Huber und Tutu, Pater Anselm Grün und die Bischöfin Käßmann sind die Popstars des Kirchentags

Sicher, man soll zwar keine Götter neben IHM haben – aber wer sagt, dass der Kirchentag nicht auch Stars hat? Die gibt es natürlich. Jedoch solche der besonderen Art, die außerhalb des christlichen Zirkels meist eher deplatziert wirken. Grob eingeteilt, sind es, sieht man einmal von der notorischen Acapella-Truppe Wise Guys ab, diese drei: die Spirituellen, die Intellektuellen und die Charismatiker. Und gestern waren alle drei Typen innerhalb weniger Stunden in den funktionell-kalten Messehallen von Köln zu erleben.

Zu den spirituellen Stars gehören Leute wie der politische Theologe Fulbert Steffensky und der eher unpolitische Pater Anselm Grün. Der Benediktiner-Mönch durfte in ökumenischer Verbundenheit eine Bibelarbeit am Freitag morgen anbieten – und die Halle war überfüllt. Denn der stille Mann in Kutte ist ein internationaler Bestseller-Autor: Er hat rund 200 Bücher geschrieben, Gesamtauflage: 14 Millionen Stück weltweit.

Mit leicht fränkischem Akzent deutete der Geistliche eine Stelle aus dem Buch Jeremia (23,16-32). Da geht es um falsche und wahre Propheten. Und der 62-jährige mit der sanften Stimme hätte mit seinem weißen langen Bart jeden alttestamentarischen Propheten in einem Hollywood-Film spielen können. Das geht aber nicht. Zum einen ist Anselm Grün zu friedlich. Zum anderen nimmt er sich meist zurück. Nicht, dass der Pater nicht die Versuchung der Eitelkeit kennen würde. Aber die Forderung der christlichen Demut steht einem echten Startum leider entgegen.

Zur Kategorie der intellektuellen Stars gehören der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber, der auf diesem Kirchentag auch schon einmal mit so etwas wie Jubel begrüßt wurde. Vor allem aber ist es die Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann.

Die quirlige Bischöfin besticht durch intellektuelle Kapazität und Sprachkraft, durch politisches Feuer – und nicht zuletzt durch öffentlich bekannt gewordenes Leiden in ihrem Leben. Ihre protestantischen Mitchristinnen und Mitchristen umringen sie, wo immer sie auf diesem Kirchentag auftritt, wollen Autogramme, sprechen ihr Mut zu – und fotografieren sie dutzendweise wie einen Popstar. Käßmann erträgt es tapfer.

Schließlich sind da die Charismatiker, die so selten sind. Sie werden geliebt, nein: angehimmelt von fast allen. Herausragend unter ihnen: Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, der in seinem violetten Bischofstalar sowieso überall heraussticht. Ein gutmütiger schwarzer Opa mit weißen Haaren ist der große Kämpfer gegen die Apartheid geworden. Er predigte Donnerstag beim eher peinlichen „Ruf nach Heiligendamm“ und rettete so die Veranstaltung. Er predigte Freitag gegen Gewalt. Tutu kann überhaupt eigentlich nur noch predigen – aber wie er das macht, ist umwerfend. Einfachste Sätze, die aus anderen Mündern platt oder kitschig klängen, erscheinen bei ihm tief und klug. Er ist der eigentliche Star dieses Kirchentags. Und wahrscheinlich ist ihm das völlig wurscht. Philipp Gessler