: So viel wahrer Ausdruck
FLAMENCO Eine Veranstaltungsreihe mit Tanz, Musik, Gesang und Fiesta will Plattform für innovative Flamencokünstler sein. Sie knüpft damit an eine langjährige Berliner Festivaltradition an
MICHAEL SCHULDT, ORGANISATOR DES FESTIVALS
VON EDITH KRESTA
Flamenco, der Schuhplattler der Spanier? „Auch“, sagt Michael Schuldt. „Zumindest von außen betrachtet wird er als spanische Folklore gesehen, und als solche wird er häppchenweise den Touristen präsentiert. Jenseits dieses oberflächlichen Klischees ist er jedoch eine ausdrucksstarke Kunst.“ Michael Schuldt, der Tänzer und Trainer, organisiert „Flamenco en Berlin“: Vom 30. November bis 7. Dezember werden im spanischen Kulturinstitut Instituto Cervantes und in der Akademie der Künste die aktuellen Tendenzen des Flamenco gezeigt.
Es geht dabei nicht um einen „Carmen“-Verschnitt im bunten Rüschenkleid mit Drama. Präsentiert werden vielmehr avantgardistische Vertreter des Flamenco wie Belén Maya, die seit 30 Jahren tanzt und als Wegbereiterin eines modernen Flamenco gilt. Am 6. Dezember zeigt sie ihr Bewegung-Geste-Sprache-Konzept in der Akademie der Künste.
Ein Jazzklavier ist dabei
Eine der wichtigsten Vertreterinnen der jungen Flamencogeneration ist die Tänzerin Leonor Leal. Seit 2008 tourt sie international als Solotänzerin. In Berlin präsentiert sie sich am 7. Dezember im Duo mit dem Pianisten David Peña Dorantes. Leals neue Formen des reinen Flamenco passen bestens zur Musik Dorantes, der sein Jazzklavier zum Flamencoinstrument machte.
Carlos Sauras Ode an den Flamenco, der Film „Carmen“ – so der deutsche Titel nach George Bizets berühmter Oper – brachte dem Flamenco in den 1980er Jahren internationales Renommee und Zulauf. Carmen, die Herzensbrecherin, war Frauenidol, und nicht nur in Berlin wuchs eine Flamencoszene mit mehr als 2.000 aficionados, Begeisterten, und zahlreichen Orten, in denen Flamenco angeboten und unterrichtet wird.
Berlin zählt bis heute zu den europäischen Metropolen des Flamenco. „Spannend ist, wie sich im geteilten Berlin zwei unterschiedliche Szenen entwickelt hatten und dann nach dem Mauerfall zusammenfanden“, erzählt Michael Schuldt. Er hat spanischen Tanz in den 1980er Jahren an der Fachhochschule für Tanz in Leipzig bei der Tänzerin und Schauspielerin Almut Dorowa Ballhaus gelernt. „Die damals schon 73-Jährige hat mich für den Flamenco begeistert, davon überzeugt. So viel wahrer Ausdruck!“, schwärmt er noch heute.
Eine Schlüsselfigur für die Entwicklung einer Flamencoszene in Berlin war der aus Córdoba stammende Tänzer Manuel Moreno, der hier von 1983 bis 1993 den Flamenco puro unterrichtete. Aus dieser Szene heraus entstand das alljährlich Flamenco-Festival, das von 1997 bis 2007 im Pfefferberg stattfand. Danach wurde es – auch aus finanziellen Gründen – eingestellt. In der moderierten Bühnenshow „Berlin in Flamenco“ wird am 4. Dezember die Flamencogeschichte der Stadt erzählt.
Während der Tango seinen Siegeszug durch die Berliner Nacht antrat, kam der Flamenco aus der Mode. „Flamenco ist eben kein Salontanz“, sagt Michael Schuldt. „Es ist der Einzelne, der hier zur Geltung kommt, sich vorwagen muss. Flamenco ist eigentlich ein Vorgänger des Streetdance, des HipHop. Ein Tanz, mit dem sich die Marginalisierten Luft und Ausdruck verschafft haben.“
Der Flamenco stehe zwar heute für Spanien. Dabei wurden dort die klagenden Klänge lange Zeit ebenso abgelehnt wie ihre Urheber, die „Gitanos“, die andalusischen Roma. Flamenco war der „Blues der Gitanos“: Über Jahrhunderte hinweg wurden sie unterdrückt und verfolgt. Ihre Gefühle wie Verzweiflung, Wut, aber auch ihre Lebensfreude, drückten sie zunächst nur im Gesang aus. „Alles fing mit einem klagenden Aiaiaiai an. Erst später gewannen Tanz und Gitarrenbegleitung an Bedeutung“, berichtet Michael Schuldt.
Außerhalb Spaniens bringt man Flamenco vor allem mit Tanz in Verbindung. Dabei ist das Wichtigste der Gesang. Eine raue Klage, die unbegleitet vorgetragen wurde. Der Tanz war lange Zeit Sache der Frauen. Er gewann in der Zeit der „Cafés cantantes“ von 1850 bis 1936 an Bedeutung, als diese Flamencolokale in Spanien populär wurden. Das Widerständige des Flamenco wurde durch Franco und das faschistische Spanien vereinnahmt. Flamenco wurde fortan als Folklore wahrgenommen, die in Deutschland für viele verdächtig blieb.
Ein Weltkulturerbe
Heute schließen die populären „peñas“ – die Flamencoclubs, wo spontan gesungen und getanzt wird – nicht nur in Madrid, sondern auch in Andalusien, der Ursprungsregion des Flamenco. Kein Wunder, dass der Flamenco 2010 Weltkulturerbe wurde und damit auf der Liste schützenswerter Kulturgüter steht. „Wir möchten den Flamenco kommunizieren“, sagt Michael Schuldt, „seine Elemente transparent machen und weiter vernetzen.“ Eine Woche lang lebt Flamenco lebt nun in Berlin auf.
■ Komplettes Programm unter www.flamencoenberlin.com