… DIE FIRMA DIAMONA & HARNISCH?
: Gentrification at its best

Für alle, die immer noch nicht verstanden haben, was Gentrifizierung bedeutet, gibt es jetzt ein Lehrbeispiel im Internet. Unter www.k6364.de vermarktet die Immobilienfirma Diamona & Harnisch, die laut Eigenwerbung „ein Gespür für den Lifestyle von Berlin“ hat, ein „Wohnhaus der Extraklasse“. Es entsteht aus einem Altbau und einem „high end“-Neubau an der Kastanienallee – „or Castingallee as the Berlins call it“, wie es im Präsentationsvideo auf Englisch heißt.

Zunächst aber bietet die Homepage unter „Damals & Heute“ einen kurzen Abriss der Geschichte des Ortes. „Zu DDR-Zeiten sollte die ganze Gegend abgerissen werden“, heißt es da. Das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm sei aber am Fehlen der finanziellen Mittel gescheitert. Stattdessen seien „junge Leute, die sich auch mit alten Ofenheizungen wohlfühlten und sich im weitesten Sinne als Künstler oder Lebenskünstler verstanden“, eingezogen „illegal, aber geduldet“. Später seien die Häuser saniert und modernisiert worden, die durch undichte Gasleitungen geschädigten Bäume „wurden Ende der 1990er Jahre entfernt und auf kompletter Länge durch neue Kastanien ersetzt“. Heute gelte der „Boulevard als die Szenemeile Berlins“.

Tatsächlich sollten nur die Häuser an der benachbarten Oderberger Straße durch Plattenbauten ersetzt werden. Auch scheiterte das Projekt nicht an Geldnot, sondern am Widerstand der Anwohner. Und die beschädigten Bäume wurden schon vor dem Mauerfall gefällt. Zum Prozess der Gentrifizierung gehört eben auch, dass mit den ursprünglichen Bewohnern eines Viertels das Wissen um die Ortsgeschichte verloren geht.

Diese schreiben heutige Immobilienvermarkter einfach, aber falsch von Wikipedia ab. Ihnen geht es weniger ums Detail als um das Image des „pulsierenden Quartiers“, „wo Sub- und Hochkultur zu einer spannenden Symbiose verschmelzen“. Deshalb wurde das Grundstück bis zum Baubeginn einem Kunstprojekt überlassen. „Noch bevor alle Mieter aus der Kastanienallee 64 ausgezogen sind, beginnt die künstlerische Transformation des Grundstücks“, heißt es auf der Homepage. Das sei „ein Standort, an dem sich verschiedene Zielgruppen treffen“, verkündet Karl Jürgen Zeller, „head of sales“ von Diamona & Harnisch im Werbevideo. Entsprechend sei der Bau geplant worden.

Wie unterschiedlich die Zielgruppen im Haus sein werden, lässt sich an der Preisliste ablesen. Die beginnt mit einer 46-Quadratmeter-Wohnung für 168.000 Euro. Das ergibt rund 3.650 Euro pro Quadratmeter, was einer Monatsbelastung von etwa 700 Euro entspricht – netto kalt, im Seitenflügel, erster Stock mit ausschließlich Nordfenstern. Mehr Licht kostet mehr Geld.

In der Topwohnung ganz oben kostet der Quadratmeter rund 7.500 Euro. „Im elektrisierenden und vielsprachigen Umfeld entstehen Lebensstile und -modelle, die den sich verändernden Gesellschaftsstrukturen Rechnung tragen“, heißt es auf der Werbeseite.

Die Betonung liegt auf „Rechnung“. GA Foto: Archiv