: Mit der S-Bahn durch das Hafenbecken
Bei den Hafenrundfahrten der Maritime Circle Line müssen die Gäste manchmal ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, damit eine Barkasse nicht unter den Brücken der Speicherstadt steckenbleibt. Dafür können sie an vier Haltepunkten aussteigen und später weiterfahren
„Und jetzt alle mal nach vorne für die letzten Brücken“, tönt Schiffer Arnos Durchsage aus den Lautsprechern, „damit wir nicht steckenbleiben.“ Seemannsgarn, wie die Passagiere spontan vermuten? Weit gefehlt. Arno und seinem Decksmann Volker Gurk ist es ernst: Es herrscht Flut, und vom Himmel fällt seit Tagen Regen. Die Motorbarkasse Bubi II passt nur gerade eben unter den niedrigen Brücken der Speicherstadt hindurch. Vorne ist das Boot höher, weil dort die Reste des bereits abgebauten Ruderhauses hervorragen – also muss vorne das Gewicht hin. Zwanzig Passagiere drängeln sich in Richtung des engen, mit Getränkekisten vollgestopften Raums mit den Spitzengardinen vor den kleinen Fenstern. Zum Glück reicht ihr Gewicht: Trotz eines metallischen Kratzens, vermutlich dank eines losen Teils, gleitet die Bubi II problemlos unter den drei niedrigsten Brücken hindurch.
Die Bubi II gehört zur Flotte der „Maritime Circle Line“, die seit dem 5. Juli im Hamburger Hafen unterwegs ist. Sie bereichert das Angebot an Hafenrundfahrten, denn die Circle Line ist auch ein bisschen wie eine S-Bahn: Die Passagiere können an jeder Haltestelle aussteigen und zwei Stunden später mit dem nächsten Boot weiterfahren. Die Circle Line hält am Auswanderermuseum Ballinstadt, am Hafenmuseum, in der Speicherstadt und am Museumsschiff Cap San Diego. Am äußersten Ende der Landungsbrücken, an Brücke 10, beginnt die Fahrt. Das Wasser im Hafenbecken ist braun. Blaugraue Wolken scheinen sich direkt über den Hafenkränen aufzutürmen und lassen es von Zeit zu Zeit regnen. Nicht das allerbeste Wetter also für eine Hafenrundfahrt. Andererseits, so steht es auf Decksmann Gurks knallrotem T-Shirt: „Sommer ist Einstellungssache.“
Das Bott schaukelt auf den ersten Metern heftig. Arno tröstet seine Passagiere mit dem Hinweis, Seekrankheit mache schließlich schlank: „die einzige Krankheit, bei der was rauskommt“. Das Humor-Niveau für die nächsten 100 Minuten ist damit gesetzt – als Wegweiser durch die Vielfalt der großen und kleinen Schiffe, Container, Lagerhallen und Kräne, die an Backbord und Steuerbord auftauchen, ist Arno aber umso besser. Er erzählt von der Luxus-Yacht mit Minigolfplatz und Kegelbahn, die sich Chelsea-Eigner Roman Abramowitsch gerade unter höchster, allerhöchster Geheimhaltung bauen lässt. Wie Arno trotzdem vom Minigolfplatz erfuhr, bleibt sein Geheimnis. Er schlägt seinen Passagieren vor, doch einen der Kräne von dem Kranfriedhof zu erwerben, der an Backbord auftaucht: „Macht sich gut im Vorgarten.“ Er erklärt all die Dinge, die Hamburg-Besucher vielleicht zum ersten Mal sehen: Die riesigen Blohm+Voss-Docks, die ehrwürdige Speicherstadt und die Neubauten in der Hafencity. Und wer sich eines dieser Dinge genauer ansehen will, steigt einfach aus und fährt zwei Stunden später zu den Landungsbrücken zurück. KC
Abfahrt an den Landungsbrücken um 10, 12, 14, 16 und 18 Uhr. Kompletter Fahrplan: www.maritime-circle-line.de. Erwachsene und Kinder ab sieben Jahren zahlen 5 Euro.