: Sächsisches Allerlei
FESTSPIELE Kultur und Tourismus: Dieter Wedels Sommertheater hält im Dresdner Zwinger Hof
Festspiele aller Arten sind heutzutage längst nicht mehr das Ausnahmeereignis, das mit dem Licht der Hochkultur die Tristesse des Alltags aufhellt. Sie werden im Zeitalter der notorisch klammen öffentlichen Kassen und der vorlauten schrillen Marktmechanismen, die die Kultur längst infiziert haben, gern als vermeintlicher Kompromiss zwischen Ökonomie und Kultur verkauft. Und sind am Ende doch nur eine Ausrede, die vom Kulturversagen ablenkt.
Jeder Bürgermeister steuert gerne ein Grußwort bei, wenn „privat“ finanzierte Festspiele der Tourismusbranche Auftrieb geben sollen. Selbst wenn es, wie jetzt, die sächsische Kulturstadt Dresden und ihr Zwinger sind. Da werden die ersten (man ist optimistisch!) Zwingerfestspiele unter freiem Himmel vorm barocken Wallpavillon im architektonischen Juwel des Sachsenkönigs August des Starken angesetzt und sollen bis zum 21. August jeden Abend, bei Kartenpreisen zwischen 57 und 107 Euro, reichlich 1.800 Plätze füllen. Verhandelt wird die sächsische Liebes- und Staatsaffäre zwischen August und seiner berühmtesten Mätresse, der Cosel.
Was in Worms klappt …
Der mit seinen Nibelungenfestspielen (und jüngst auch mit „Jud Süß“) in Worms erfolgreiche Dieter Wedel sollte es als Regisseur und zugleich als Intendant der Festspiele richten mit dem bewährten Mix aus allgemein verständlicher Geschichtsstunde, ohne Berührungsängste mit dem Klischee, mit dezentem Videobeitrag und einer Handvoll bildschirm- und leinwandbekannter Stars, nebst vor allem hübschen Jungschauspielerinnen, unter anderem Estefania Küster-Pena, bisher als Bohlens Ex bekannt.
Aus der von Wedel angekündigten Mischung aus Film, Zirkus und Theater ist allerdings im Zwinger nur eine eher zähe, mit über dreieinhalb Stunden viel zu lange Unternehmung geworden, die nicht mal auf eine Dirk-Bach-Nummer (als Fremdenführer und Narr) verzichtet. Die heutigen Tarnuniformen fürs Militär und eine stets kesse Lippe der Cosel (Teresa Weißbach) vorm Königsthron und im nämlichen Bett, behaupten eine Gegenwärtigkeit, die durch nichts beglaubigt wird. Und schauspielerisch überzeugt eigentlich nur Götz Schubert als August.
Ansonsten gab es im Vorfeld zwar keinen Skandal, aber gut sächsischen Knatsch: über einen versprochenen und dann von der Oberbürgermeisterin Helma Orosz nicht mal beantragten Viertelmillionenzuschuss zum nun „frei“ finanzierten 2,6-Millionen-Budget. Und über die Ausbeutung der 40 Komparsen, samt eines „So nicht, lieber Herr Wedel“-Donnerworts der sächsischen DGB-Frontfrau Iris Kloppich. Die hätte den Komparsen nicht erst 10 und dann 25 Euro Tagesgage zugestanden, sondern 120. Deshalb gibt’s wohl bisher auch keine DGB-Festspiele.
Das spannendste am diesjährigen Festspielaugust im Zwinger dürfte sein, ob er sich im nächsten Jahr so wiederholen lässt. Wenn nicht – in Deutschland findet sich sicherlich noch so manches Bauwerk zur sommerlichen Verwedelung.
JOACHIM LANGE