Gewiefter Strippenzieher

Seine Balkan-Erfahrungen dürften ihm zugute kommen: Der Diplomat Wolfgang Ischinger soll als EU-Beauftragter in der Verhandlungstroika den Konflikt über den Status des Kosovo lösen helfen FOTO: AP

Der Krieg und der Zerfall Jugoslawiens haben seiner Karriere bestimmt nicht geschadet. Wolfgang Ischinger hat wie kaum ein anderer deutscher Diplomat in den letzten 15 Jahren an entscheidender Stelle die Strippen auf dem Balkan gezogen. Jetzt soll er erneut dort antreten – als Repräsentant der EU. Er wird gemeinsam mit hohen Diplomaten aus den USA und Russland die Troika bilden, die nach dem Scheitern der Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat Gespräche mit Serben und Kosovaren über die Zukunft des Kosovo führen soll. In dieser Funktion fällt ihm eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung des Konfliktes zu. Denn die Position Europas wird wohl letztlich über den Status des Kosovo entscheiden.

Damit steht der 1946 in Nürtingen geborene Jurist, der in Bonn und Harvard studiert hat, mehr als je zuvor im Rampenlicht. Als deutscher Botschafter zuletzt in Großbritannien und von 2001 bis 2006 in den USA bekleidete er zwar höchste Posten im diplomatischen Dienst, muss jetzt aber als Vertreter Europas Weltpolitik gestalten.

Ob der ehemalige Staatssekretär unter Joschka Fischer und politische Direktor unter Klaus Kinkel dazu in der Lage ist, wird sich zeigen. Denn Ischinger hat sich auf dem Balkan nicht nur Verdienste erworben, sondern ist auch mitverantwortlich für die Misserfolge der internationalen Politik. So verhandelte er 1995 mit dem US-Unterhändler Richard Holbrooke das Abkommen von Dayton, das den Krieg in Bosnien und Herzegowina zwar beendete, dem Land aber auch Entwicklungschancen nahm. Holbrooke kritisiert jetzt, dass es ein Fehler gewesen sei, eine Teilung auf ethnischer Grundlage zuzulassen.

Auch im Kosovo wurden Fehler gemacht. Anstatt nach dem Nato-Krieg gegen Serbien 1999 sofort über den Status der Provinz zu entscheiden, waren es Fischer und Ischinger, die mit der Etablierung einer UN-Mission den Konflikt verlängern halfen. Der 2000 mit Ischingers Mitarbeit gegründete und beendete Stabilitätspakt für Südosteuropa war zudem eine Art Totgeburt. Von ihm profitierten zwar viele NGOs, wissenschaftliche Institute und westliche Firmen, für die Bevölkerung aber brachte er fast nichts.

Immerhin war Ischinger auch an dem erfolgreichen Krisenmangement 2000 in Mazedonien beteiligt, das einen Bürgerkrieg verhinderte. Zudem spricht für ihn, dass er sich auch mit Russland auskennt. Ischinger war Mitglied der von Bundeskanzler Schröder und Präsident Putin eingesetzten hochrangigen Deutsch-Russischen Strategischen Arbeitsgruppe. Diese Erfahrung ist angesichts des neuen drohenden Ost-West-Konfliktes in Bezug auf das Kosovo von größter Wichtigkeit. ERICH RATHFELDER