: Mist, Mist, Mist bei Pegida
Die Islamisierung macht sich schon breit in unserem Alltag“, sagt jemand auf der Pegida-Demonstration. Am Donnerstag ist er in der ARD-Sendung „Panorama“ zu sehen, zugleich stellt die ARD ihr Rohmaterial ins Internet, um den Manipulationsvorwurf („Lügenpresse“) zu entkräften. Doch dann kommt raus: Der nette junge Mann mit der grauen Wollmütze ist RTL-Reporter Felix Reichstein, der inkognito mitdemonstriert hatte.
Der Schock bei der ARD ist groß. Und noch jemand ist geschockt: ich. Denn ich habe am Montag in Dresden Reichstein ein Interview gegeben. Mist, Mist Mist! Wir erkannten beide nicht, dass wir nur Rollen spielten.
Dabei hätte ich es ahnen können: als ich eine Kollegin traf, die ihre schwarzen Haare unter einer Russenmütze versteckt und sich dazu blaue Kontaktlinsen eingesetzt hatte. Ich hatte sie nicht erkannt und sie unauffällig angesprochen („Schöne Mütze“). Doch sie bemerkte sofort meine nur aus einer Deutschlandfahne bestehende Camouflage; wir hätten laut losprusten können.
Oder diese beiden Mittdreißiger in grellbunten Jogginghosen, mit denen ich danach sprach. Am nächsten Tag saßen im Speisewagen des EC Budapest–Dresden–Berlin zwei Männer, die ihnen zum Verwechseln ähnlich waren – außer, dass sie nun sportliche Sakkos und offene weiße Hemden trugen. Sie tippten hektisch in ihre Notebooks, es fielen die Worte „Redaktionsschluss“, „Super Story!“ und „Das muss Giovanni kapieren“, dazwischen lästerten sie über die ungarische Bahn („kein WLAN“) und deren Kaffee („Filterplörre“). Ich saß am Nebentisch mit einer Kollegin vom US-Fernsehen, einem Freund von der Bild und dessen Freundin vom Neuen Deutschland. Wir tauschten fröhlich unsere heimlich aufgenommenen Zitate aus und spielten dann „Pegida-Bingo“. Die Zeit im Zug verging wie im Flug.
Aber mir ist jetzt mulmig. Ich hoffe, RTL liest das noch rechtzeitig und schneidet mich raus. Vorsorglich distanziere ich mich von allem, was ich da oder sonst wo gesagt oder geschrieben habe.
PS: Kurz vor Schluss lese ich, dass RTL den Kollegen gefeuert hat. Das verstehe ich nicht. Er hat doch nur seinen Job gemacht (sogar ziemlich gut). Oh Gott, ob die taz auch so reagiert? DENIZ YÜCEL