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Archiv-Artikel

Müder Generalstreik

ITALIEN Zehntausende gegen Kürzungen auf der Straße. Ein von der EZB gefordertes Sparpaket sieht Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Schuldenbremse in der Verfassung

Solange die Gewerkschaften zerstritten sind, muss Berlusconi sich nicht fürchten

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Ein Generalstreik, ausgerufen von Italiens größtem Gewerkschaftsbund, brachte Dienstag landesweit zehntausende Menschen auf die Straße. Sie protestierten gegen das neue Sparpaket der Regierung Berlusconi.

45,5 Milliarden Euro will die Regierung mit dem Maßnahmenbündel einsparen, das voraussichtlich noch diese Woche im Parlament verabschiedet wird. Erst im Juli hatte das Parlament ein erstes Paket in ähnlicher Höhe gebilligt – doch schon Ende Juli zeigte sich, dass dies nicht reichte. Italiens Staatsanleihen gerieten massiv unter Druck. Deshalb forderte die Europäische Zentralbank in einem Brandbrief vom 5. August neue Sparanstrengungen. Rom antwortete umgehend mit dem Versprechen, weiter zu sparen und schon 2013 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

Am Dienstag teilte Berlusconis Amt nach einer eilig einberufenen Sitzung des Kabinetts erneute Änderungen des Sparpakets mit. So soll die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt auf 21 Prozent steigen und eine Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen werden. Zudem seien eine dreiprozentige Sonderabgabe für Einkommen über 500.000 Euro und ab 2014 Änderungen bei der Verrentung von Frauen geplant.

Zudem wird bei den Sozialhaushalten und den Überweisungen des Zentralstaats an die Kommunen gespart. 2012/2013 stehen drastische Streichungen bei Kinderfreibeträgen, der steuerlichen Absetzbarkeit von Arztkosten und Zinszahlungen auf Hypotheken ins Haus.

Weiterhin will die Regierung eine Aufweichung des Kündigungsschutzes durchsetzen. Doch angesichts der chaotischen Vorbereitung des Sparpakets – dutzende Vorschläge wurden teils binnen Tagesfrist aus der Schublade gezogen und gleich wieder verworfen – war es der Regierung nicht gelungen, mit ihrem Paket neues Vertrauen zu schaffen. Anfang dieser Woche schoss der Zinsabstand zu Deutschland wieder auf über 3,7 Prozent hoch.

Weniger Sorgen als die Marktreaktionen muss Berlusconi dagegen der Generalstreik vom Dienstag machen. Nur der größte Gewerkschaftsbund CGIL rief zum Streik auf, als „schwachsinnig“ klassifizierten ihn dagegen die beiden anderen Bünde CISL und UIL, die weiter den Dialog mit der Regierung pflegen. Solange die wichtigen Bünde zerstritten bleiben, muss die Regierung übermäßigen gewerkschaftlichen Druck gegen ihren Sparkurs nicht befürchten.

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