: „Verwertbarkeit spielt keine Rolle“
Der Popkurs an der Hamburger Musikhochschule dauert sechs Wochen und hat von „Seed“ bis „Wir sind Helden“ etliche prominente Absolventen. Heute feiert der Popkurs 25-jähriges Jubiläum. Geschäftsführerin Katja Bottenberg und Dozent Peter Weihe über Kontakte, Handwerk und Fieber
KATJA KAYE BOTTENBERG macht als Sängerin Country-Musik und ist Rechtsanwältin und Geschäftsführerin des Popkurses
Interview: Klaus Irler
taz: Herr Weihe, Frau Bottenberg, lässt sich Erfolg im Musikgeschäft planen?
Katja Kaye Bottenberg: Nein, eindeutig nicht, wenn man einen künstlerischen Anspruch hat. Es zeigt sich, dass sich durch Casting-Veranstaltungen und Beziehungen und Geld ein gewisser kommerzieller Erfolg erzeugen lassen kann. Dafür braucht es dann Menschen, die bereit sind, sich formen zu lassen. Aber wenn man einen künstlerischen Anspruch hat, ist alles offen.
Peter Weihe: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir dann dauerhaft erfolgreiche Absolventen haben, wenn wir sie ermutigen können, ihre individuellen Stärken nach vorne zu kehren. Beim Popkurs ist das Gute, dass da 50, 60 Leute aus verschiedenen Bereichen aufeinander prallen, die alle irgend etwas gut können. Dann suchen sie sich aus, wer mit wem spielt.
Wie sieht das Lehrangebot beim Popkurs aus?
Bottenberg: Es gibt für jeden Teilnehmer Einzelunterricht, bei dem jeder überprüfen kann, wo es Schwächen gibt. Das, was fehlt, wird dann innerhalb kürzester Zeit nachgeholt. Und dann gibt es Gruppenangebote wie Rythmustraining oder Harmonielehre. Außerdem haben wir Business-Angebote, in denen die Teilnehmer lernen können, wie man mit der Musikindustrie umgeht. Aber das ist kein Schwerpunkt.
Wie entstehen dann daraus erfolgreiche Bands wie „Wir sind Helden“, die neben anderen aus dem Studiengang hervorgegangen sind?
Bottenberg: Der Popkurs bietet ein kreatives Umfeld, in dem Gleichgesinnte zusammen kommen, die eigene Musik erfinden wollen und auf einem hohen Spielniveau sind. Und die zweimal im Jahr drei Wochen Zeit haben, intensiv miteinander zu arbeiten.
Zweimal drei Wochen: Das klingt nach verdammt wenig Zeit.
Bottenberg: Die Effektivität kommt durch das sehr intensive Miteinander. Das Programm geht von morgens um 10 bis abends um 23 Uhr. Die Teilnehmer konzentrieren sich vollständig darauf. Und das bringt manchmal mehr, als wenn man die Arbeit über einen längeren Zeitraum verteilen würde. Beim Popkurs muss alles schnell geschehen, und das entwickelt auch eine Eigendynamik: Es bricht dann eine Art kreatives Fieber aus.
Um teilzunehmen, müssen die Musiker eine Aufnahmeprüfung bestehen. Worauf kommt es dabei neben der Individualität an?
Weihe: Derjenige, der sich hier vorstellt, sollte den Stil, den er selber wählt, glaubhaft vortragen und alle handwerklichen Aspekte dabei so beherrschen, dass wir das Gefühl haben: Dieser Musiker könnte mit ein bisschen Hilfe demnächst so über die Rampe kommen, dass er ein Publikum begeistern kann. Und das hängt nicht unbedingt vom Handwerk ab, das könnte man ja noch lernen. Dieses besondere Talent, eine Ausstrahlung zu entwickeln, kann man nicht lernen.
Welche Rolle spielt für die Auswahl der Teilnehmer ihre kommerzielle Verwertbarkeit?
Weihe: Das interessiert uns hier überhaupt nicht. Das ist die Freiheit, die eine Universität sich leisten kann. Wir sind natürlich nicht blind, weil wir alle selbst seit vielen Jahren vom Musikgeschäft leben. Deswegen geben wir den Teilnehmern Tipps zu den ganzen vertraglichen Fragen, die auf sie zukommen. Der Unterricht ist da sehr praxisorientiert.
PETER WEIHE ist Gitarrist, Produzent und beim Popkurs Professor für Gitarre, Groove und Bandcoaching
Nun ist bei Musikhochschulen normalerweise eine gewisse Schulbildung eine Zugangsvoraussetzung. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Bottenberg: Die Schulbildung spielt keine Rolle. Entscheidend ist nur das Aufnahmeprüfungsverfahren: Die Interessenten reichen ein Demo ein mit drei Titeln, dann machen wir eine Zwischenauswahl und dann gibt es in der zweiten Runde nochmal ein Live-Vorspiel.
Welche Vorkenntnisse haben die Leute, die sich bei Ihnen bewerben?
Weihe: Wir haben sehr viele Bewerber, die schon ein Studium hinter sich haben, und hierher kommen, um gute Leute zu finden. Der Studiengang ermöglicht oft einen Zugang zu der Szene in Hamburg, die ständig wächst. Allein aus diesem Jahrgang ziehen fünfzehn Leute nach Hamburg.
Nicht nach Berlin?
Weihe: Nein, die Hamburger Szene ist sehr stark gewachsen. Und durch den Popkurs haben sich die Szenen von Hamburg und Berlin viel mehr vernetzt. Die Wege sind da kurz geworden.
Das Fest beginnt heute um 20 Uhr in der Hamburger Hochschule für Musik und Theater, Harvestehuder Weg 12. Neben den Absolventen des 25. Kurses tritt auch Ex-Absolventin Katharina Franck (Rainbirds) auf