: „Weder klauen noch ignorieren“
INDIGENE Bremer Symposium will indigenem Wissen Raum geben und eine Zusammenarbeit fördern
■ 44, arbeitet als Universitätslektorin am Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaften der Uni Bremen.
taz: Frau Fernandes, passen indigene Spiritualität und Wissenschaft zusammen?
Eliane Fernandes: Es ist Zeit, dass anerkannt wird, dass Indigene ihre eigene Wissenschaft haben, wobei das indigene Wissen weit über das Spirituelle hinausgeht. Wir von der sogenannten westlichen Welt haben den Bezug zu bestimmten Lebenswerten verloren. Die Mehrheitsgesellschaft hat den Fehler gemacht, sich so zu entwickeln, dass wir unsere Umwelt zerstören. Die Indigenen hingegen haben noch einen intensiven Kontakt zur Natur. Wir müssen zurücktreten und mit den indigenen Minderheiten zusammenarbeiten.
Was können wir konkret lernen?
Indigene Kulturen sehen das Leben als eine Gesamtheit. Das ist der Punkt, den wir lernen müssen, um ein neues Bild vom Leben zu erhalten. Wenn man vom Klimawandel spricht, muss man in sich gehen und überlegen, warum wir das Problem haben.
Was ist überhaupt „indigenes Wissen“?
Indigenes Wissen ist auf jeden Fall sehr vielfältig: Es geht um ein Gleichgewicht zwischen Lebewesen und Umwelt. Wir sind verbunden mit der Erde, auf der wir leben. Die Lernmodelle der Indigenen und ihre Forschungen sind sehr wichtig.
Und an der Universität wird das bisher nur belächelt?
Ganz und gar nicht. Doch wir müssen den Raum dafür schaffen. In unserem Institut wird daran gearbeitet, dass sich die Wissenschaft erneuert. Sie muss auf Augenhöhe stattfinden. In meiner Forschung versuche ich das zu verwirklichen, weil ich von indigenen Gemeinschaften in Brasilien genau diese Kritik höre. Bisher gibt es keine Kooperation mit einer indigenen Universität, aber das kann sich ändern.
Was kann das Symposium in Bremen bewirken?
Es kommen Gäste aus Deutschland, Finnland, Namibia und Argentinien. Ich hoffe, dass eine Debatte angeschoben wird über die Demokratisierung des Wissens. Darüber, dass wir zusammen mit indigenen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen Arbeiten veröffentlichen. Indigene Unis sind bisher kaum bekannt. Es geht nicht mehr, dass Forscher sich deren Wissen bedienen und kein wissenschaftlicher Austausch stattfindet. Man muss dafür sorgen, dass das Wissen nicht geklaut oder ignoriert wird.
Interview: MERLIN PRATSCH
Symposium „Indigene und die Dekolonialisierung der Wissenschaft“: ab 10 Uhr in der Ev. Studentengemeinde, Parkstr. 107 (bis 18. 1.); Einzelheiten unter www.kultur.uni-bremen.de/de/aktuelles