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Archiv-Artikel

Zum Abschied die „Internationale“

PARIS Bewegender Abschied von den Karikaturisten und Mitarbeitern von „Charlie Hebdo“: Justizministerin Taubira zitiert den Poeten Paul Éluard: „Du hast von Freiheit geträumt. Ich setze deinen Traum fort“

PARIS taz | Wenn jemand sagen durfte, ich bin „Charlie“, dann sie, die zehn Mitarbeiter des Satireblatts, die für ihren Mut mit dem Leben bezahlt haben. Am Donnerstag und am Freitag wurden die Zeichner und andere ebenfalls am 7. Januar von Terroristen ermordeten Mitarbeiter beigesetzt. Die Beerdigung fand in den meisten Fällen im Kreis der Familienangehörigen und der engsten Freunde statt.

Bei der Gedenkfeier von Tignous alias Bernard Verlhac in seinem Wohnort Montreuil nahmen dagegen auch Hunderte Einwohner teil, waren Freunde von Charlie Hebdo zugegen und auch Justizministerin Christiane Taubira, die eine sehr bewegende Abschiedsrede hielt und alle Terroropfer würdigte: „Tu rêvais d’être libre. Je te continue“ (Du hast von Freiheit geträumt. Ich setze deinen Traum fort), zitierte sie den Poeten Paul Éluard. Die befreundeten Karikaturisten hatten den Sarg zuvor über und über mit Zeichnungen dekoriert. Zum Schluss stimmten alle in das Partisanenlied „Bella ciao“ ein, dessen Schlusszeilen lauten: „Dies ist die Blume des Partisanen, der für die Freiheit starb.“

Die Urne mit Georges Wolinskis Asche wurde ebenfalls am Donnerstag unter Trompetenklängen von Miles Davis auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt. Jean Cabut, fast allen nur unter seinem Künstlernamen „Cabu“ bekannt, war schon am Mittwoch in Châlons-en-Champagne beerdigt worden.

Die „Internationale“ erklang am Freitag zum Abschied für „Charb“ in Pontoise im Norden von Paris. Viele Anwesende reckten zum Gruß die geballte Faust in den Himmel. Denn Stéphane Charbonnier war nicht nur als Chefredakteur von Charlie aktiv. Der Gründer der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, sagte vor dem Sarg des Toten: „Mit deiner Ermordung haben der Zeichenstift und die Karikatur eine immense Kraft bekommen, die es ermöglicht, die Leute auf die Straße zu bringen. Adieu und merci, Camarade!“ Der Parteichef der französischen Kommunisten, Pierre Laurent, erklärte: „Sie wollten die Pressefreiheit töten, wir werden ihnen genau mit dieser Pressefreiheit antworten. Sie haben dich erschossen, Charb. Wir aber machen weiter …“ Alle Hinterbliebenen waren sich einig, dass die Ermordeten das letzte spöttische Wort haben, weil Charlie Hebdo weiter erscheint und sich kein bisschen einschüchtern lässt.

RUDOLF BALMER