Doppelschlag in Überzahl

Starke Nordkoreanerinnen trennten sich bei der Frauenfußball-WM vom Turnierfavoriten USA mit einem 2:2-Unentschieden. Aus dieser Gruppe kommt der mögliche Viertelfinalgegner der Deutschen

AUS SCHANGHAI MARKUS VÖLKER

Joseph Blatter dürfte erleichtert gewesen sein, dass der erste Spieltag der Weltmeisterschaft erheblich spannender verlief als das Auftaktmatch der Deutschen gegen Argentinien. Nach dem 11:0 hatte der Präsident des Weltverbandes Fifa seinen Unmut über diesen Kantersieg – oder wie der Schweizer sagt: Stängeli – geäußert. Dem Fußballgewaltigen aus Zürich machen doch solch bizarre Ergebnisse einen Strich durch die Rechnung, das Feld der WM bereits im Jahre 2011 von 16 auf 24 Teams aufzustocken. Gut möglich, dass die aufgeplusterte WM dann in Deutschland stattfindet. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist mit seiner Bewerbung im Rennen. Im Oktober wird darüber entschieden.

Vor allem das Spiel der US-Amerikanerinnen gegen Nordkorea hat Blatter wohl gefallen. Der Weltranglistenerste beharkte sich mit dem geheimnisumwitterten Fünften der Welt, von dem vor der Partie nicht viel mehr bekannt war, als dass die Frauen aus dem Achsenreich des Bösen die U20-Weltmeisterschaft gewonnen hatten (5:0 gegen China), eine Ersatztorhüterin mit dem Gardemaß von 1,96 Meter (Yun Hyon-Hi; 61 kg) sowie vier 15-jährige Mädchen aufbieten und mitunter Schwierigkeiten haben, strittige Entscheidungen zu verkraften: Im Halbfinale des Asien-Cups im australischen Adelaide attackierten sie den Schiedsrichter mit Karatekicks, Flaschen wurden auch zur Bekämpfung des Unparteiischen eingesetzt.

Am Dienstag im zentralchinesischen Chengdu ging’s friedlich zu. Nordkorea erwies sich als spiel- und laufstarkes Team, versuchte die Partie gegen den Turnierfavoriten zu dominieren, musste zwar ein Gegentor hinnehmen, schlug aber innerhalb von nur vier Minuten zum 2:1 zurück. Während der Treffer musste sich die US-Amerikanerin Abby Wambach wegen einer klaffenden Kopfwunde behandeln lassen, Nordkorea nutzte die Überzahl doppelt aus. Beide Torhüterinnen, Hope Solo und Phi Un-Hui, patzen bei den Gegentoren – wie schon die unglückliche Torsteherin der Argentinierinnen, Vanina Correa, im Auftaktspiel gegen Deutschland. „Diesen Fehler wegzustecken, das war das Schwierigste, was ich je auf dem Spielfeld hinkriegen musste, abgesehen davon, am Tag nach dem Tod meines Vaters in ein Spiel zu gehen“, sagte Solo. Es sah im verregneten Chengdu also nach einer kleinen Sensation aus, doch Heather O’Reilly kam nach einem Abwehrfehler der Nordkoreanerinnen zum 2:2-Ausgleich.

„Ich hoffe, Ihnen hat das Spiel auch so gefallen wie mir“, wandte sich US-Coach Greg Ryan an die Journalisten. Er lobte vor allem, dass es seine Elf geschafft habe, den Rückstand zu verkraften und zurückzuschlagen. Das ist für die Amerikanerinnen eine durchaus ungewöhnliche Situation. Sie sind in 47 Spielen hintereinander unbesiegt und haben seinerzeit auch nur im Elfmeterschießen verloren. Torschützin O’Reilly sagte über das Comeback in der zweiten Halbzeit: „Es war einer dieser tollen Momente, wo das Team zusammengefunden hat, wo sich alle aufeinander verlassen konnten und wir uns gesagt haben: Lasst uns angreifen und ein Tor machen.“ Hat ja dann auch geklappt.

Als beste Spielerin wurde keine Amerikanerin gewählt, sondern die nordkoreanische Offensivkraft Ri Kum-Suk. Ihr Trainer, Kim Kwang-Min, konnte es sich nicht verkneifen, die Amerikaner noch ein bisschen zu ärgern. Käme es zu einem weiteren Spiel gegen die USA, dann hätte er jetzt die richtige Taktik gefunden, um sie zu besiegen, sagte er. Vorerst muss sich Kim eine Taktik für das Gruppenspiel gegen Nigeria am Freitag (14 Uhr, MESZ) zurechtlegen. Das US-Team tritt am selben Tag gegen Schweden (11 Uhr) an, das sich 1:1 von Nigeria trennte. Allenthalben wird von der Gruppe B als „Todesgruppe“ gesprochen. Das könnten die Deutschen auch zu spüren bekommen. Sie erwarten im Viertelfinale einen Gegner daraus.