: Unbegründete Ungleichheit
Ist die Befreiung der Landeskinder von Studiengebühren mit dem Grundgesetz vereinbar? Nein, glaubt das Verwaltungsgericht Bremen. Deshalb soll jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden
von Jan Zier
Über das Bremische Studienkontengesetz soll jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Das hat gestern das Verwaltungsgericht Bremen beschlossen, das über drei Klagen gegen das so genannte „Landeskindermodell“ verhandelte. Weil die Verwaltungsrichter erhebliche Bedenken hatten, dass das Gesetz gleich gegen mehrere Normen des Grundgesetzes verstößt, legten sie den Fall dem Verfassungsgericht vor. „Das Verwaltungsgericht durfte nicht selbst abschließend über die Verfassungswidrigkeit der angesprochenen Regelungen entscheiden“, erklärt das Gericht den Verfahrensgang.
Geklagt haben drei Studierende aus Niedersachsen, die für ihr Studium in Bremen ab dem vergangenen Wintersemester 500 Euro Studiengebühren pro Semester hätten zahlen sollen. Bereits im August 2006 erhielten sie einen vorläufigen Rechtsschutz, müssen also bis zu einem endgültigen Urteil nicht zahlen. Die Uni Bremen hat daraufhin keine weiteren Bescheide verschickt.
Zwar sei die Werbung um möglichst viele Landeskinder durchaus „legitim“, so das Gericht – die erhebliche finanzielle Zusatzbelastung für auswärtige Studierende jedoch nicht. Die Inanspruchnahme bremischer Hochschulen durch Niedersachsen habe nichts mit jenen Geldern zu tun, die Bremen dank seiner Landeskinder aus dem Länderfinanzausgleich bekomme: Für jeden Studierenden, der sich in Bremen meldet, bekommt das Land pro Jahr 3.000 Euro. 25 Millionen Euro sollten so zusammen kommen. Und genau diese zusätzlichen Einnahmen seien der primäre Zweck der Landeskinderregelung, vermuten die Bremer RichterInnen. Das aber sei nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren.
Dabei stellen die VerwaltungsrichterInnen nicht allein auf den Gleichheitsgrundsatz und die ebenfalls vom Grundgesetz garantierte Freiheit der Berufswahl ab. Sie verweisen vor allem auf die von der Verfassung garantierte freie Wohnsitzwahl. Diese sei durch das Landeskindermodell zwar nicht direkt bedroht – wohl aber mittelbar. Wer auf seine Freizügigkeit poche, müsse dafür „spürbare wirtschaftliche Nachteile“ in Kauf nehmen, so die RichterInnen. Die Uni Bremen hingegen sieht in den Studiengebühren lediglich einen „Anreiz“, sich in Bremen zu melden. Und die Studiengebühren – umgerechnet 83 Euro pro Monat – nicht als erhebliche Belastung für die Studierenden.
Bereits in Hamburg war der Senat mit einem Landeskindermodell für die BewohnerInnen der „Metropolregion“ vor Gericht gescheitert – das Land führte daraufhin allgemeine Studiengebühren ein. Genau das fordert nun auch die Bremer CDU-Opposition. Studiengebühren für alle in Höhe von jährlich 1.000 Euro sollen nach dem Willen des CDU-Fraktionschefs Thomas Röwekamp „die abschmelzenden öffentlichen Zuschüsse ersetzen“. Studierende aus sozial schwachen Familien sollen im Gegenzug ein „landeseigenes Darlehen“ erhalten, begabte Studierende mit einem „Leistungsstipendium“ gefördert werden.
SPD und Grüne stimmen in ihrem Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Keine allgemeinen Studiengebühren“ zwar darin überein, dass ein gebührenfreies Erststudium aus bildungspolitischen wie sozialen Gründen „geboten“ sei. Eine Hintertür haben sie sich jedoch offen gehalten: Man werde die Diskussion fortsetzen, wenn das rechtliche Verfahren abgeschlossen sei.