: Rückenwind für den Arbeitsmarkt
Die Windbranche sucht Fachkräfte. Vor allem der wachsende Export sorgt für großen Bedarf. Gefragt sind neben einer technischen Ausbildung zunehmend Fremdsprachenkenntnisse. Auch alte Bergbauregionen bringen ihr Know-how ein
Die Husumwind öffnet für Besucher ihre Tore vom 18. bis zum 22. September. Die Tageskarte kostet 20 Euro, Studenten, Arbeitslose, Senioren und Behinderte zahlen 5 Euro. Wer sich im Internet vorregistriert, muss nicht an der Kasse warten und spart zudem noch 15 Prozent auf den regulären Eintrittspreis. Die Dauerkarte kostet 52 Euro.
Die Messe öffnet um jeden Tag zwischen 10 Uhr und 18 Uhr ihre Pforten. Messebesucher, die die Kongressprogramme von Dienstag bis Freitag und die Jobmesse am Samstag besuchen möchten, bekommen ihre Eintrittskarte täglich ab 9.30 an der Sonderkasse am Kongresseinlass. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm zur Messe. Mit Talkrunden und Live-Musik wird am Donnerstag die zehnte Windmesse gefeiert. Der Eintritt ist kostenlos, allerdings müssen sich Interessierte vorher im Internet registrieren. Dort findet sich ein umfangreicher Stellenmarkt, auf dem deutsche und internationale Firmen Jobs offerieren.
Auch Kunstinteressierte werden auf ihre Kosten kommen: Unter dem Motto „Eine Stadt im Wind“ haben der Museumsverbund Nordfriesland und die Stadt Husum fünf renommierte Künstler zu einem Wind-Kunst-Symposium eingeladen. Einige Arbeiten der Künstler werden unvermittelt im Stadtbild auftauchen und danach sukzessive wieder verschwinden. www.husumwind.com
VON LARS KLAASSEN
Die Unternehmen in der Windbranche haben ein Problem: Sie brauchen jede Menge Arbeitskräfte und können ihren Bedarf kaum decken. Schuld ist unter anderem das Wachstum. Schon im Juni des vergangenen Jahres stellte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in der Studie „Wirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf den deutschen Arbeitsmarkt“ fest: Selbst unter eher konservativen Annahmen sei bis 2020 eine Verdopplung der aktuellen Beschäftigungszahlen im Bereich der erneuerbaren Energien möglich. Im Rahmen der Studie wurden 1.100 Unternehmen befragt. Diese gaben seinerzeit an, bis zum Jahr 2010 die Zahl ihrer Beschäftigten gegenüber 2004 um voraussichtlich 50 Prozent zu erhöhen. Schon vor drei Jahren entfiel der Großteil der Arbeitsplätze im Bereich Erneuerbare Energien auf die Windbranche: 64.000 von 157.000 Arbeitsplätzen. Mittlerweile muss das prognostizierte Wachstum nach oben korrigiert werden.
Mehr als die Hälfte der Windkraftanlagen-Hersteller und -Betreiber sucht vergeblich nach gut ausgebildeten Mitarbeitern, so eine Studie des Wissenschaftsladens Bonn. Und das, obwohl die Ausbildungsquote der Windenergie-Industrie mit 6,5 Prozent deutlich höher ist als sonst in der Wirtschaft üblich (4,8 Prozent). Die Ursache: Viele Berufsbilder der jungen Branche sind neu und können derzeit oft nur beim „training on the job“ erlernt werden. Als „Servicetechniker für Rotorblattinstandsetzung“ muss man eben schwindelfrei sein und gut klettern können. Auch etwa die Rotorblattfertigung ist beinahe eine eigene Wissenschaft.
Die Statistiker des BMU und des Bundesverbands Windenergie (BWE) gehen von derzeit rund 74.000 Arbeitsplätzen in der deutschen Windbranche aus. „Dabei wird neben Investitionen in Neuanlagen auch der Betrieb bestehender Windräder bilanziert“, erläutert BWE-Sprecher Matthias Hochstätter. Für den Bereich der Investition in neue Windenergieanlagen in Deutschland veranschlagt der BWE 24.700 Arbeitsplätze. Beim Export von Windkraftanlagen und deren Bauteile sind es 38.300 Jobs. Betriebsführung, Wartung und Instandsetzung von Windrädern sind wesentlich arbeitsintensiver als die Herstellung. Dabei werden 11.200 Arbeitskräfte benötigt. „Diese Statistik ist bewusst ‚konservativ‘ gerechnet“, betont Hochstätter. „Arbeitsplatzeffekte, die in der Wissenschaft und in der öffentlichen Verwaltung durch Windenergienutzung entstehen, finden wegen einer nicht verifizierbaren Datenlage keine Berücksichtigung.“ Für 2007 geht Hochstätter von einer relativ stabilen Situation für den Inlandsmarkt aus. Arbeitsplatzmotor bleibe der Export, der von 3,6 auf 4,6 Milliarden Euro 2007 wachsen werde. Der BWE rechnet so mit gut 8.000 neuen Jobs für 2007.
Die politischen Rahmenbedingungen für den Weltmarkt für Windenergie sind gut: Schwellenländer wie China und Indien müssen wegen ihres rasant steigenden Energiebedarfs auch auf die Erneuerbaren setzen, wollen sie in Zeiten wachsender Rohstoffknappheit den Anschluss an die industrialisierte Welt schaffen. China etwa hat Ende Februar 2005 ein entsprechendes Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien verabschiedet. Das Kioto-Protokoll verpflichtet die Teilnehmerstaaten, den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen zu reduzieren. Weltweit wurden 2006 rund 15.200 Megawatt (MW) Windkraftleistung neu installiert. Die dänische Unternehmensberatung BTM hält 2025 bei der Windenergie einen jährlichen Zuwachs von 115.000 MW für möglich. Nach der Studie Windforce 12 von Greenpeace und GWEC könnte das Marktvolumen 2020 sogar rund 160.000 MW an neu installierter Leistung betragen. Das sind gute Aussichten für den Standort Deutschland: Unter den zehn führenden Herstellern auf dem Weltmarkt finden sich vier deutsche Firmen. Zudem produzieren hierzulande auch ausländische Unternehmen. Die dänische Firma Vestas etwa fertigt Bauteile ihrer Windkraftanlagen an mehreren deutschen Standorten. Und der US-Konzern General Electrics fertigt seine Windräder im niedersächsischen Salzbergen. Der Anteil deutscher Hersteller und Zulieferer am Weltmarkt beträgt ein Drittel. Über 70 Prozent der in Deutschland hergestellten Windräder und Bauteile gehen mittlerweile in den Export. Die Folge: Heute werden nicht nur Ingenieure und qualifizierte Fachkräfte in der Branche gesucht. Gefragt sind neben einer technischen Ausbildung zunehmend Fremdsprachenkenntnisse. Zu den starken Regionen der Branche gehört Nordrhein-Westfalen: Über 15.000 Menschen verdienen an Rhein und Ruhr ihr Geld mit dem Bau von Windkraftanlagen. Allein fünf der weltweit führenden Getriebezulieferer für Windkraftanlagen sitzen in Nordrhein-Westfalen. Dort kann die Windenergie- Branche auf viel Know-how zurückgreifen, da die Hersteller von Spezialmaschinen für den Bergbau heute auch an Windkraftanlagen feilen: Getriebe, Generatoren, Stromrichter, Stahltürme, Wälzlager und Großgussteile sind heute „Made in NRW“. Die deutsche Windkraft-Industrie verbraucht fast eine Million Tonnen Stahl pro Jahr, das ist dreimal so viel, wie der Schiffbau benötigt. Die deutschen Hersteller und Zulieferer erweitern wegen der steigenden Auslandsnachfrage stetig ihre Kapazitäten. Aber auch der Inlandsmarkt für Windenergie werde noch vor 2010 wieder anziehen, prognostiziert Hochstätter: „Der Ersatz von Altanlagen durch modernste Technik erlangt in den kommenden Jahren immer mehr an Bedeutung.“ Auch der geplante Bau von großen Windkraft-Anlagen in Nord- und Ostsee werde der Branche einen gewaltigen Schub geben. Allein in einem dieser Offshore-Windräder stecken 3.000 Tonnen Stahl. So sind auch große Konzerne mit von der Partie, die nicht primär zur Windbranche gezählt werden.