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Archiv-Artikel

Alles dicht im Oberstübchen?

DACHDÄMMUNG Die Energieeinsparverordnung 2009 schreibt vor, dass bis Ende 2011 bislang ungedämmte oberste Geschossdecken beheizter Räume gedämmt werden müssen. Viele Ausnahmen entbinden Eigenheimbesitzer davon, doch eine Sanierung kann lohnen

Förderung & Expertise

■ Die KfW fördert energetische Sanierungen über ihr „Einzelmaßnahmenprogramm“. Darunter fällt auch der Punkt „oberste Geschossdecke“. Voraussetzung für eine Förderung ist jedoch ein strengerer Wärmedurchgangskoeffizient: statt der 0,24 Watt/(m[2]x K) laut EnEV 2009 sind 0,14 Watt/(m[2]x K) gefordert. Die Mehrkosten werden in der Regel aber von der Förderung gedeckt. Ganz abgesehen von den künftig noch niedrigeren Energiekosten dank besserer Dämmung. Nähere Infos: www.kfw

■ Eine Datenbank, die bundesweit Experten für energetische Sanierungen aufführt, findet sich auf dem Portal der dena: www.zukunft-haus.info/experten

VON LARS KLAASSEN

Für Eigentümer von Häusern, die obenrum nicht ganz dicht sind, läuft in diesem Jahr ein Countdown: Die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 schreibt vor, dass begehbare, bisher ungedämmte oberste Geschossdecken beheizter Räume bis zum 31. Dezember 2011 gedämmt werden müssen. Alternativ können auch die Dachschrägen gedämmt werden. Der Wärmedurchgangskoeffizient einer davon betroffenen Geschossdecke darf nach der Dämmung 0,24 Watt pro Quadratmeter mal Kelvin (Watt/(m[2]x K)) nicht überschreiten.

„Wenn bereits eine alte Dämmung auf der Geschossdecke oder im Dach vorhanden ist, besteht keine Pflicht nachzurüsten, auch wenn diese alte Dämmung die Anforderungen der EnEV nicht erfüllt“, sagt Gerold Happ von der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund. Vor allem, um Eigenheimbesitzer nicht über Gebühr zu belasten, sieht die EnEV 2009 noch eine Reihe anderer Ausnahmen vor. Für Gebäude mit bis zu zwei Wohneinheiten gilt: Lebte der Besitzer schon vor dem 1. Februar 2002 darin, entfällt die Verpflichtung. Wer ein solches Haus zwischen dem 1. Februar 2002 und Ende 2007 erwarb, muss innerhalb von zwei Jahren dämmen. Dasselbe gilt für Käufer ab 2010. Bei einem Eigentümerwechsel in den Jahren 2008 oder 2009 ist wiederum ein höherer Wärmedurchgangskoeffizient vorgeschrieben, was die Kosten der Sanierung senkt: statt 0,24 müssen nur 0,3 Watt/(m[2]x K) nachgewiesen werden.

Laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland rund 15 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser. Davon wurden rund 14 Millionen vor 2002 gebaut. Nach Zahlen des Mikrozensus 2006 haben in drei Jahren nur etwa acht Prozent der Eigentümer aller Ein- und Zweifamilienhäuser in drei Jahren das Haus neu bezogen. Seit 2002 dürften dies also rund 25 Prozent sein. Ein großer Teil davon jedoch in Neubauten, die ebenfalls nicht betroffen sind. So sind also nur relativ wenige Neueigentümer von etwa zwei bis drei Millionen Bestandsimmobilien seit 2002 betroffen. Und von ihnen werden wiederum viele ohnehin in die neu erworbene Immobilie investieren wollen oder die Anforderung schon längst erfüllt haben.

Wer von der EnEV-Verpflichtung betroffen ist, sollte wiederum bedenken: Die obersten Geschossdecke zu dämmen, ist rentabel. Die Vollkosten einer Dämmung der obersten Geschossdecke liegen laut Deutscher Energieagentur (dena) zwischen 54 und 70 Euro pro Quadratmeter (begehbar) beziehungsweise 32 bis 36 Euro (nicht begehbar). Die Vollkosten einer Dachdämmung – also einschließlich kompletter Neueindeckung des Dachs: 120 bis 200 Euro. Haus & Grund kalkuliert mit leicht abweichenden Zahlen: Bei Dachschrägen sei mit 120 bis 160 Euro zu rechnen, bei der Geschossdecke mit rund 80 Euro. Die tatsächlichen Kosten sind von verschiedenen Faktoren abhängig: regionaler Preisstruktur, tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort und dem Auftragsvolumen. Die dena empfiehlt, immer mindestens drei Angebote einzuholen.

Aus Kostengründen selbst Hand anzulegen, kann später teuer werden, wenn das nötige Fachwissen fehlt. „Mit ein paar Styroporplatten ist es nicht getan“, warnt Bauphysiker Jürgen Friedrichs. „Vor allem undichte Fugen werden dabei schnell zum Problem. Mineralfasermatten sind da besser geeignet.“ Ganz wichtig: „Die Dämmschicht muss raumseitig dauerhaft luftdicht und nicht diffusionsdicht ausgeführt werden, damit nicht feuchtwarme Raumluft hindurchstömen und auskondensieren kann.“ Lagert sich Feuchtigkeit dauerhaft in der Dämmung ab, kann es zu schweren Schäden in den betroffenen Bauteilen kommen. Fragen zur Deckenkonstruktion und Dämmung sollten mit einem Energieberater geklärt werden, um eine Durchfeuchtung der Dämmung sicher zu verhindern. „Auch die Statik sollte beachtet werden“, rät Ludger Weidemüller, Architekt und Berater beim Bauherren-Schutzbund. „Da können – für einen Altbau – erhebliche Zusatzlasten entstehen, wenn es eine begehbare Konstruktion werden soll.“ In älteren Gebäuden wurden zudem früher oft giftige Holzschutzmittel verwendet. In gedämmten Räumen können deren Ausdünstungen ein ungesundes Raumklima erzeugen.

Ob sich die Dämmung finanziell rechnet, hängt davon ab, bis wann sich die Investition durch reduzierten Energieverbrauch amortisiert hat. „Bei einem Eigenheim mit einem ungedämmten Dach kommt es pro Jahr im Schnitt zu einem Wärmeverlust von 12.000 kWh, bei einem Haus mit einem gedämmten Dach gehen hingegen nur 3.000 kWh Heizenergie pro Jahr verloren“, sagt Romy Reichenberger, Projektleiterin Energieeffiziente Gebäude bei der dena. Werde die Heizenergie aus Öl oder Erdgas gewonnen, betrage der durchschnittliche Preis für eine kWh 0,07 Euro. „Durch die Dämmung des Daches können Besitzer somit rund 630 Euro pro Jahr einsparen“, so Reichenberger.

Eigentümer sollten sich nicht auf das gesetzlich Nötige beschränken

Können die erforderlichen Aufwendungen durch die Energieeinsparung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erwirtschaftet werden, entfällt die Dämmpflicht der EnEV ebenfalls. „Welche Fristen als angemessen beurteilt werden, bleibt abzuwarten. Man kann derzeit auf die bisher ergangene Rechtsprechung zu Sanierungsbeschlüssen in Wohnungseigentümergemeinschaften zurückgreifen, wonach der maximale Zeitraum bei zehn Jahren liegt.

Hinsichtlich der Amortisation könnte man auch auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes abstellen“, sagt Stefanie Hering, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie Bau- und Architektenrecht. „Hat sich eine Investition in diesem Zeitraum amortisiert, gilt das in der Regel als wirtschaftlich.“ Ist dies voraussichtlich nicht der Fall, reicht die Bestätigung von einem entsprechenden Prüfsachverständigen – und eine Dämmung ist nicht nötig. In anderen Fällen, sogenannter „unbilliger Härte“, muss für eine Befreiung von der Verpflichtung ein Antrag bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde gestellt werden: etwa weil es sich um ein Abrissgebäude handelt, dessen Tage bereits gezählt sind. Auch wenn ein Eigentümer von der EnEV oder anderen Vorschriften aus Gründen der Energieeinsparung gleich mehrfach in die Pflicht genommen wird, ist dies der Fall. Wer bereits den Heizkessel erneuern muss, hat fürs Dach vielleicht nicht mehr die Mittel.

„Daran zeigt sich, dass die Dämmung der Dachgeschossdecke mit Blick auf die gesamte Energieeffizienz eines Gebäudes nur ein Baustein ist, sagt Ulrich Zink, Vorstandsvorsitzender des Bundesarbeitskreises Altbauerneuerung. „Sie ist zwar ein wichtiger Baustein, aber erst der Blick aufs Ganze erzielt optimale Effekte.“ Eigentümer sollten sich laut Zink also nicht auf das gesetzlich Nötige beschränken, „sondern gemeinsam mit Experten ein Gesamtkonzept erarbeiten, um die Umwelt zu schonen – und langfristig auch finanziell zu profitieren“.