: Gedächtnisschwund in Sachen Atommüll
GRÜNE Baden-Württemberg soll selbst zwischenlagern, forderte die Partei einst. Davon ist keine Rede mehr
STUTTGART/BERLIN taz | Die baden-württembergische Landesregierung soll dafür sorgen, dass wiederaufbereiteter Atommüll aus dem Südwesten Deutschlands auch dort zwischengelagert wird, fordert Greenpeace. Der nächste Castor-Transport aus dem französischen La Hague, wo die Brennelemente behandelt werden, müsse zum AKW in Philippsburg und nicht nach Gorleben rollen. Greenpeace hofft auf Unterstützung der regierenden Grünen, die in der Opposition das Gleiche forderten.
Die Umweltschützer argumentieren, dass ein Transport quer durch Deutschland keinen Sinn ergebe, wenn die offene Endlagersuche ernst gemeint sei. Das Zwischenlager in Philippsburg sei näher – der Polizeieinsatz wäre geringer. Außerdem würde damit nicht Gorleben als Endlagerstandort zementiert.
Das sah früher auch der heutige grüne Umweltminister in Baden-Württemberg, Franz Untersteller, so. „Es wäre mehr als angemessen, wenn der aus baden-württembergischen Atomkraftwerken stammende strahlende Müll zur Zwischenlagerung wieder an die Erzeugerstandorte zurückgebracht wird“, sagte er im November vergangenen Jahres. Damals kritisierte er seine Amtsvorgängerin Tanja Gönner (CDU), die den Vorschlag abgelehnt hatte, den Müll in Philippsburg zwischenzulagern.
Nun im Amt setzt sich Untersteller nicht mehr dafür ein. „Grundsätzlich ist die Idee des Verursacherprinzips nach wie vor richtig“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums auf taz-Anfrage. Allerdings sei es Sache des Energiekonzerns EnBW, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dazu gebe es derzeit „keinen Anlass“, teilte dieser mit.
Für dieses Jahr sei es zeitlich nicht mehr machbar, den Müll zurückzunehmen, ließ Untersteller ausrichten. Folglich müssten die Franzosen den Müll länger bei sich lagern. Das könnten nur das Bundesumweltministerium und die EnBW klären. Bislang hat allein das Zwischenlager Gorleben vom Bundesamt für Strahlenschutz die Genehmigung zur Lagerung des Atommülls aus der Wiederaufbereitung.
Greenpeace reicht das zur Erklärung nicht aus. „Die Grünen haben glasklar angekündigt, sie stünden hier im Gegensatz zur CDU für Verantwortung statt für das Sankt-Florians-Prinzip“, sagte der Energieexperte der Organisation, Tobias Münchmeyer, zur taz. Ministerpräsident Winfried Kretschmann müsse die EnBW auffordern, einen Genehmigungsantrag für das Zwischenlager zu stellen. N. MICHEL