ORTSTERMIN: DER „GORLEBEN DIALOG“ IN HITZACKER : Drei Experten und ein Gottesbeweis
Der Saal ist nicht gerade groß, trotzdem wird er nicht voll. Nur zwei Dutzend Stühle sind besetzt, Behördenvertreter, Lokalpolitiker und eine Handvoll Journalisten bleiben unter sich. Das Bundesumweltministerium (BMU) hat am Mittwochnachmittag zum ersten „Gorleben Dialog“ nach Hitzacker geladen, aber der wendländische Atomwiderstand boykottiert die „Alibiveranstaltung“ geschlossen.
Und das, obwohl das BMU Besuchern der Veranstaltung sogar eine Fahrtkostenerstattung angeboten hat. Es wird preiswert für das BMU und nur ein Internet-Livestream sorgt dafür, dass sich diese neue Dialogkultur aus dem Hause Röttgen überhaupt das Prädikat „öffentliche Veranstaltung“ verdient.
„Wir suchen einen offenen, kritischen Dialog“ sagt Ursula Heinen-Esser, die Parlamentarische Staatssekretärin des BMU, doch fündig wird sie nicht. „Von schwierigen Rahmenbedingungen“, berichtet der eingekaufte Moderator, „weil viele nicht an einen ergebnisoffenen Dialog glauben“ würden – und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Es fehlt an diesem Nachmittag an allem, was den Gorleben-Dialog zu einer Highlight wendländischer Debattenkultur machen könnte: Es gibt keine Gorleben-Gegner, fünf der acht vom Ministerium eingeladenen Mitdiskutanten, die zuvor im Internet ihre Fragen formulieren durften, bleiben der Veranstaltung ebenso fern wie Ulrich Schneider von Greenpeace, der Salzstöcke für ein ungeeignetes Endlager-Medium und die weitere Erkundung des Gorlebener Salzstocks deshalb für überflüssig hält.
Es fehlen an diesem Nachmittag auch Lautsprecher für die Mikrophone, Arbeitsplätze für die Journalisten, Namenskärtchen für die Diskutanten auf dem Podium und vor allem Antworten auf die Einwürfe der drei verbliebenen Fragesteller. „Welche Auswirkungen hätten die im Salzstock vorhandenen Gase und Kohlenwasserstoffe für die Sicherheit eines Atommüllagers Gorleben?“, lautet die Fragestellung, die die drei von der Bundesregierung aufgebotenen Experten nicht einmal im Ansatz beantworten.
„Wir wissen noch nicht“, „wir gehen der Frage nach“, „es wird eine Rolle spielen“ lauten ihre meistverwendeten Satzbausteine, wenn es um Explosionsgefahr, Überdruck und den Einfluss des heißen Mülls auf die ihn umbegebenen Gasgemische geht. Dass just diese Experten bald eine vorläufige Sicherheitsanalyse für ein Endlager Gorleben vorlegen werden, wirkt anhand von soviel Sprachlosigkeit atemberaubend. „Wir werden mehr offene Fragen formulieren als Antworten geben können“, räumt schließlich einer ein – und dass der Begriff Sicherheitsanalyse wohl doch ein klitzekleiner Etikettenschwindel sei.
Dass schon ihr Ansatz vollkommen falsch sei, behauptet dann ausgerechnet ein ehemaliger führender Mitarbeiter des Bundesamtes für Strahlenschutz, der erkennbar gut im Stoff steht. Immer wieder treibt Michael Mehnert die Experten in ihre Wissenslöcher um schließlich zu bemerken, der Nachweis über eine dauerhaft sichere Atommüllagerung sei „faktisch nicht machbar, überfordere die Wissenschaft“ und erinnere ihn an den Gottesbeweis, mit dem sich Religiontheoretiker jahrhundertelang vergeblich abgemühten. Die Antwort des Experten Jan Richard: „Also ich finde unsere Sicherheitskriterien gar nicht mal so schlecht.“ MARCO CARINI