: CHÀO – Hilfe für die Opfer von Agent Orange
Noch immer leiden viele Menschen unter dem Agent-Orange-Einsatz der US-Armee in Vietnam
■ Film: Melodie aus der Dunkelheit
Auch fast vier Jahrzehnte nach Ende des Vietnamkriegs leidet die vietnamesische Bevölkerung unter den Spätfolgen von Agent Orange. „Melodie aus der Dunkelheit“ portraitiert den Alltag einer betroffenen Familie.
Nächste Aufführung: 13. November, 17 Uhr Tanzsalon Zippel, Eberswalde (Puschkinstraße 19)
■ Im Netz:
Es grenzt an ein kleines Wunder. Trotz seiner Erblindung spielt Hieu aus Hanoi Klavier. Beigebracht hat es sich der kleine Junge aus Vietnam mit Hilfe seines Gehörs. Das Schicksal des Kindes thematisiert der Film „Melodie aus der Dunkelheit“ des vietnamesischen Filmemachers Bui Tuan Dung. Das Besondere an Hieus Fall ist, dass er weder blind auf die Welt kam noch sein Augenlicht in Folge eines Unfalls verlor. Er ist ein Opfer von Agent Orange.
Der Kampfstoff, der unter anderem die giftige Chemikalie Dioxin enthält, wurde vom US-amerikanischen Militär ab 1965 im Vietnamkrieg eingesetzt, um die Dschungelverstecke der südvietnamesischen Guerillakämpfer sichtbar zu machen. Der sonderbare Name des Herbizids ist auf die orange Streifen zurückzuführen, die als Kennzeichnung auf den Behältern des Kampfstoffes klebten. Da der Einsatz von Dioxin von der Regierung offiziell verboten war, griff das Militär auf diese Art der Kennzeichnung zurück. So konnte der Einsatz des verunreinigten Entlaubungsmittels vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden. Nicht einmal die amerikanischen Soldaten wussten von dem Dioxin in dem Gift, weshalb 200.000 von ihnen an der Substanz erkrankten, die krebserregend ist.
Für die Zivilbevölkerung Vietnams hatte der Einsatz der Chemikalie verheerende Folgen, die bis heute zu spüren sind. Da sich das dioxinhaltige Gift im Boden anreicherte und sich nur sehr langsam abbaut, stellt es noch immer eine große Gefahr für die Bevölkerung dar. Laut Angaben des vietnamesischen Roten Kreuzes leiden heute 500.000 VietnamesInnen an den Spätfolgen von Agent Orange. Die häufigsten Krankheitsbilder sind schwere Fehlbildungen bei Kindern, Krebserkrankungen und Immunschwächen. Das Perfide daran ist, dass nicht abgeschätzt werden kann, wer an dem Gift erkrankt und wer nicht. Manchmal überspringt die Krankheit eine Generation oder tritt erst im späteren Abschnitt des Lebens auf. So auch bei Hieu, dem Helden aus Bui Tuans Film.
In Berlin und Brandenburg ist „Melodie aus der Dunkelheit“ in diesem Herbst in ausgewählten Kinos zu sehen. Präsentiert wird der Film von dem Verein „CHÀO – Charity & Help for Agent Orange Victims“, der sich in Deutschland und in Vietnam für die Opfer von Agent Orange engagiert. Durch verschiedene Medienkampagnen und öffentliche Kunstaktionen sowie Sach- und Geldspenden unterstützt der Verein betroffene Familien und Einrichtungen, die sich um erkrankte Kinder und Erwachsene kümmern. „Die Kinder haben in Vietnam ein schweres Los“, erklärt Susanna Schwarten, Sprecherin von CHÀO.
Bereits seit 2004 hatte die Gruppe mit Kunstaktionen auf die Folgen von Agent Orange aufmerksam gemacht. Grund für ihren Einsatz war ein Bericht von Schwartens Jugendfreund Thanh Long, einem gebürtigen Vietnamesen, der in Deutschland aufwuchs und im Jahr 2000 zum ersten Mal wieder nach Vietnam reiste. Von seiner Reise zurückgekehrt, berichtete er Schwarten von den Folgen von Agent Orange und den Missständen im vietnamesischen Gesundheitssystem. „Da war uns klar, dass wir etwas tun mussten“, erklärt Schwarten.
Seitdem versucht der Verein den vielen durch Agent Orange gezeichneten Kindern und Familien eine Stimme zu geben und mit Spenden aus Deutschland zu helfen.
Von 2005 bis 2008 leistete der Verein direkte medizinische und medizintechnische Hilfe, indem er Lieferungen von Krankenhaus-Einrichtungsgegenständen wie Betten und medizinischen Hilfsmitteln wie Rollstühle organisierte. Dabei wurde er von Krankenhäusern aus der Region, einem Unternehmen, das Rollstühle herstellt, und zwei Fluggesellschaften unterstützt. „Mithilfe der Rollstühle konnten wir Kinder aus der sozialen Isolation befreien“, berichtet Schwarten. Ohne Rollstuhl mussten manche Kinder den ganzen Tag zu Hause liegen.
Aktuell unterstützt CHÀO das Waisenhaus „Thien Binh“ im Mekong-Delta im Südwesten Vietnams mit der Einrichtung einer Bibliothek und eines Lesesaals. Den 170 dort lebenden Kindern, die Spätopfer des Vietnamkriegs sind, will der Verein 2.000 Bücher und 20 internetfähige PCs zur Verfügung stellen.
Wer CHÀO unterstützen möchte, kann dies auf verschiedenste Weise tun. Zum einen freut sich der Verein über Geldspenden für die Bibliothek, zum anderen über Menschen, die bei der Planung und Durchführung weiterer Aktionen helfen wollen. Ende des Jahres wird der Verein seinen Sitz von Wismar nach Berlin verlegen. „Wir sind froh über jeden, der sich uns anschließt“, erklärt Susanna Schwarten. Darüber hinaus wird „Melodie aus der Dunkelheit“ am 13. November im Tanzsalon Zippel in Eberswalde aufgeführt.
LUKAS DUBRO