: Nicht rechtsfähige StudentInnen
STUDIUM Durch das Abitur nach acht Jahren sind immer mehr Erstsemester minderjährig. Im Uni-Alltag ergeben sich für Jungstudierende Schwierigkeiten –und für ihre Eltern auch
Suanet K., Asta der Uni Hamburg
VON KATHARINA SCHIPKOWSKI
Wer nicht volljährig ist, muss einiges organisieren, um studieren zu können. Als „nicht rechtsfähige Personen“ können SchulabgängerInnen keinen Studienvertrag abschließen – das Einschreiben müssen ihre Eltern übernehmen. Die Zahl der unter 18-jährigen StudentInnen wächst: Im Wintersemester 2014/2015 wurde laut Statistischem Bundesamt der Uni-Vertrag 2.900 Mal von den Eltern unterschrieben. Ein Jahr vorher waren nur 1.900 Minderjährige eingeschrieben, vor zehn Jahren nur 270.
Der Grund: Seit in den meisten Bundesländern das Abitur an Gymnasien nach acht Jahren absolviert wird, können AbiturientInnen bereits mit 17 Jahren die allgemeine Hochschulreife erreichen – wer eine Klasse überspringt, gar mit 16. Dazu kommt seit 2011 das Wegfallen der Wehr- oder Zivildienstpflicht.
Bei den minderjährigen Erstsemestern liegt das Studium der Wirtschaftswissenschaften hoch im Kurs. 374 der insgesamt 2.900 JungstudentInnen belegten im vergangenen Wintersemester einen Studiengang dieser Fachrichtung. Auf dem zweiten Platz im Ranking der beliebtesten Studiengänge bei Minderjährigen liegt Informatik mit 234 eingeschriebenen Studierenden unter 18 Jahren.
Nicht nur bei der Einschreibung, auch im Uni-Alltag ergeben sich für die JungstudentInnen Organisationshürden: Einen Bibliotheksausweis müssen sie unterschreiben – oder besser: unterschreiben lassen. Die Mensakarte gibt es nur gegen Unterschrift, und in manchen Unis brauchen sie zum Kopieren eine Copy-Card, natürlich auch nur gegen Unterschrift. Zu Prüfungen müssen sich Studierende verbindlich anmelden, mit allen rechtlichen Konsequenzen für den Fall, durchzufallen oder den Prüfungstermin zu verpassen.
Viele Hochschulen arbeiten deswegen mit pauschalen Einverständniserklärungen der Eltern. „Hiermit willige ich ein, dass mein Sohn/meine Tochter zwecks Aufnahme des Studiums alle damit verbundenen Rechtsgeschäfte sowie rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen vornimmt“, steht in der Einwilligungserklärung der Eltern für minderjährige Studierende der Uni Osnabrück. Für die Verwaltungen an den Universitäten bedeuten Minderjährige sokaum einen Mehraufwand. „Bei uns macht sich die Thematik kaum bemerkbar“, bestätigt Bettina Nag, Pressesprecherin des Studierendenwerks Hamburg. Nur vereinzelt ergäben sich andere Organisationsabläufe, etwa bei der Vergabe von Wohnungen im Studierendenwohnheim, wo die Eltern den Mietvertrag für ihre Kinder unterschreiben müssen.
Die MitarbeiterInnen des Asta-Info-Cafés an der Universität Hamburg kennen die Thematik. Das Café stellt das niedrigschwelligste Beratungsangebot des Asta da: Hier können Studierende mit allen Anliegen herkommen und werden dann an die zuständige Stelle verwiesen. „Klar haben wir hier manchmal Minderjährige mit ihren Eltern sitzen“, sagt Mitarbeiterin Suanet K.. Aber problematisch für die Erstsemester seien nicht die Vorgaben der Uni: „Das Problem sind eher die Eltern.“ Manche würden am liebsten mit in die Vorlesungen gehen. „Denen müssen wir dann erst mal klarmachen, dass es hier nicht um sie, sondern um ihr Kind geht.“ Einige Eltern seien da allerdings hartnäckig: „Es gibt Eltern, die lassen ihre Kinder gar nicht zu Wort kommen. Die sagen Dinge wie ‚Wir haben so ein gutes Abitur gemacht und jetzt wurden wir abgelehnt‘. In so einem Fall raten wird dem erwachsenen Kind, es solle sich noch mal allein bei uns melden.“ K.s Kollegin von der Rechtsberatung des Asta sagt: „Vor dem Studium sind einfach alle unsicher. Und je jünger die Studienanfänger sind, desto eher wollen die Eltern alles für sie übernehmen.“
Auch in der Rechtsberatung seien immer häufiger Minderjährige mit ihren Eltern. Schließlich gehe es dort meistens um Belange der Studienzulassung und des Einklagens. „Und da sind die Eltern ja selbst betroffen – meistens sind sie es, die im Fall, dass es schief geht, bezahlen.“