: Utopia zwischen Kanal und Containern
SOULKITCHENHALLE Ein neuer Verein will den geschlossenen Kulturort am Veringkanal wiederbeleben und zu einem „Soulvillage“ ausbauen. Die Finanzbehörde will sich mit dem Konzept bislang nicht befassen
VON DARIJANA HAHN
An der Zwiebel geht Mathias Lintl nicht achtlos vorüber. Andächtig hebt er sie auf und freut sich an ihrem kleinen grünen Trieb. Der einstige Macher der Soulkitchenhalle in Wilhelmsburg steht auf der Brachfläche daneben. Zusammen mit dem Musiker Alexander Reichert spricht er über die Zukunft nicht nur der legendären Halle, sondern auch über das gesamte, 10.000 Quadratmeter umfassende Gelände zwischen der kopfsteingepflasterten Industriestraße und dem Veringkanal. Der neu gegründete Verein Stadtkultur Hafen e. V. hat neue Pläne für das Areal entwickelt.
Noch ist die durch Fatih Akins Film „Soulkitchen“ bekannt gewordene Halle samt Freiflächen in der Hand des Landesbetriebes Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG). Das Areal liegt brach, seit Lintl und sein Team die Halle im Juni 2013 wegen Einsturzgefahr räumen mussten und seit die Nutzungsgenehmigung der Außenfläche als „Soulkitchenexil“ im November 2013 auslief. Sie dienen als „Verfügungsfläche für Gewerbeansiedlungen“, wie der Pressesprecher der für den LIG zuständigen Finanzbehörde, Daniel Stricker, sagt. Die Pläne des Vereins seien beim LIG zur Kenntnis genommen, aber „weder geprüft noch bewertet“ worden.
Der Verein will aus Halle und Gelände ein „Soulvillage“ machen – einen Ort, „wo gepflegte Geselligkeit auf Musik, Experimente und kreative Freiraum- sowie Freizeitgestaltung trifft“, wie es im Konzept heißt. Die Halle selbst soll wieder werden, was sie drei Jahre lang war: ein niedrigschwelliger und anregender Ort für Live-Musik, wo verlässlich was los ist, und wo sich Menschen aktiv einbringen können. „Mir haben so viele Leute gesagt, wie angenehm frei sie das fanden“, sagt Reichert. „Das letzte Jahr ohne Soulkitchenhalle war schon eine ziemlich lahme Zeit.“
Dann ist ein Neubau geplant, der allen Spezialbauten der Internationalen Bauausstellung wohl die Show stehlen würde: Aus Containern, Sandsäcken und Betonlegosteinen errichtet, soll er in höchstens drei Monaten fertig gestellt und in einem Monat wieder abgebaut werden können, das ganze ohne Bodenaushub, kostengünstig und multifunktional nutzbar – vom Übungs- und Arbeitsraum über eine „New Media Gallery“ bis hin zur „Digital Concert Hall“. „Wer sich kein Ticket für die Elbphilharmonie leisten kann, der kann hier, übrigens exakt auf demselben Längengrad, den Aufführungen ganz entspannt per Live-Stream zuhören“, so der Traum von Lintl.
Und schließlich ist da all das, was mit der andächtig bewunderten Zwiebel und ihrem grünen Keim zu tun hat. Denn von diesen Zwiebeln soll es nach Wunsch von Lintl und dem Verein noch viel mehr geben. „Wir wollen hier das kommunikative Gärtnern fördern und dabei gleichzeitig Ideen zur Schadstoffverminderung sowie zur Nachhaltigkeit liefern“, sagt Lintl. Reichert fasst das ganze Paket zusammen mit den Worten: „Das ist hier ein notwendiges Experimentierfeld, wie man die Schnittstelle Mensch und Stadt konfliktfrei gestalten kann.“
Um ihre Visionen verwirklichen zu können, fordern sie vom Senat weniger Geld als viel mehr Vertrauen; Worte wie: „Okay, wir trauen euch das zu, macht einfach mal und wir schaffen die rechtlichen Rahmenbedingungen.“ Das Planrecht müsste vom Industrie- zum Gewerbegebiet geändert werden, die Stadt müsste zusagen, die Soulkitchenhalle nicht abzureißen.
Der Verein, in dem Nautiker, Landschaftsplaner, Architekten und Musiker engagiert sind, findet Unterstützung im Stadtteil. Die 71-jährige Wilhelmsburgerin Roswitha Haug findet die Vorstellung „ganz toll“, dass sich im Soulvillage ältere Menschen genauso wie jüngere treffen können – und dass der „immer näher rückende Hafen“ dem Stadtteil dadurch vom Leib gehalten würde. Und auch Marco Antonio Reyes Loredo von den auf der anderen Seite des Veringkanals liegenden Zinnwerken würde es begrüßen, wenn am sogenannten Kulturkanal endlich etwas geschähe: „Wenn unter anderem durch ein Planfeststellungsverfahren das ,Soulvillage‘ ermöglicht würde, dann wäre das ein längst ausstehendes Bekenntnis für den Kulturkanal und hätte für uns alle hier am Kanal einen positiven Dominoeffekt.“
Auch in der Politik findet der Verein Unterstützung. Der Fraktionschef und Spitzenkandidat der Grünen, Jens Kerstan, sieht in dem Soulvillage-Konzept „viele Bestandteile grüner Stadtentwicklungspolitik“. Und er würde eine „Umwidmung der Industrieflächen in Gewerbeflächen“ begrüßen. Das könne „ein erster Schritt für mehr Entwicklung“ sein.
Am 19. Februar stellt der Verein seine Pläne um 18.30 Uhr in der Mokrystraße 1 vor