Von Puppen und Menschen

FIGURENTHEATER Bremen hat ein neues Theater. Am Donnerstag gab es die erste Premiere. Die „Bremer Stadtmusikanten“ erleben bei „Mensch, Puppe!“ ihr blaues Wunder

Diesmal ziehen die Bremer Stadtmusikanten wirklich nach Bremen, das Land, wo die Sonne immer scheint

von Andreas Schnell

Ein Stuhl, ein Glas Wasser, mehr ist da zunächst nicht zu sehen auf der Bühne des Theaterkontors. Dann kommt die Märchenerzählerin und will uns die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten erzählen. Aber da stört etwas. Jemand. Immer wenn sie neu anhebt, um von den Bremer … Stöhnt jemand genervt auf. Etwa jemand aus dem Publikum? Irgendwann wird es der Erzählerin zu bunt, sie bricht in Tränen aus und verschwindet, nicht ohne das Wasserglas umgekippt und das Wasser mit dem teuren Schal aufgewischt zu haben …

Im Folgenden übernehmen die Stadtmusikanten selbst die Erzählung, entreißen sie dem Märchenerzähler förmlich, dessen Stimme aus einem alten Radio ertönt – und ziehen, diesmal aber wirklich, nach Bremen, das Land, wo die Sonne immer scheint, wie das Weill-Lied „Youkali“ verkündet.

Ausgedacht hat sich das das Ensemble von „Mensch, Puppe!“. Es besteht aus Jeanette Luft und Leo Mosler, bekannt vom Puppentheater Theatrium, Regisseurin Henrike Vahrmeyer und Schauspielerin Claudia Spörri. Aber kann Bremen ein zweites Puppentheater verkraften? Zumal – wir wollen nicht zu viel verraten über diese bemerkenswerten „Bremer Stadtmusikanten“, aber auch das kommt in diesem pointenreichen Stück vor – die finanzielle Ausstattung von Kulturprojekten in Bremen bekanntlich chronisch problematisch ist.

Am Morgen nach der rauschenden Eröffnungsnacht ist das junge Ensemble noch etwas müde vom Feiern, aber happy über den gelungenen Start. Zu Recht. Denn schon die erste neue Produktion der neuen Truppe weist durchaus neue Wege für das Puppentheater, zwischen Schauspiel und Figurenspiel, gleichsam auf die Nasenspitze getrieben, wenn in einer anrührenden Szene Pfleger (Mensch) und Katze (Puppe) die Nasenspitzen aneinander reiben.

So harmonisch ging es jedenfalls nicht zu, als Leo Mosler und Jeanette Luft noch beim Theatrium waren. „Unsere Vorstellungen waren mit dem Trägerverein nicht umzusetzen“, erklärt Jeannette Luft. Die kreative Energie sei auch wegen der finanziellen Situation schlicht „verpufft“, ergänzt Leo Mosler. Und so recht wohlgefühlt habe man sich im alten Volkshaus auch nicht. Da lag der Schritt nahe, sich organisatorisch und geografisch vom Theatrium zu trennen.

Im Frühjahr fiel die Entscheidung, mit Vahrmeyer und Spörri waren gleichgesinnte Theatermenschen schnell gefunden, Stefan Berthold, der das Theaterkontor verwaltet, bot ihnen an, ihre Zelte in der Schildstraße aufzuschlagen – und seit Donnerstag ist Mensch, Puppe! in Betrieb. Was so einfach klingt, bedeutete in Wirklichkeit eine ganze Menge Arbeit. Einschließlich der „Bremer Stadtmusikanten“ gibt es bei Mensch Puppe im November gleich vier Premieren, das Haus musste ebenfalls hergerichtet werden. Und um auf die Frage von vorhin zurückzukommen: Schließlich kostet sowas Geld, öffentliche Förderung gibt es bislang jedenfalls keine.

Dank eines Existenzgründungszuschusses und privater Sponsoren konnte der Aufwand bislang gestemmt werden. Und Jeanette Luft schätzt: „Wenn alle Vorstellungen ausgebucht wären, würde sich das schon tragen.“ Außerdem bringen Gastspiele Geld in die Kasse, erklärt Mosler. Claudia Spörri ergänzt: „Wir sind optimistisch.“ Nach so einer Premiere ist das auch durchaus angebracht.

■ Nächste Premieren: „Märchenspaziergang“ am Sonntag, 15 Uhr, „Irrungen“ am Freitag, 20 Uhr, Theaterkontor, www.menschpuppe.de