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Archiv-Artikel

Kameraden gegen Genossen

Am Rande des SPD-Bundesparteitages haben am Freitag knapp 60 NPD-Mitglieder gegen ein Verbot ihrer Partei demonstriert. Ihnen standen rund 1.100 Gegendemonstranten gegenüber

VON ANDREAS SPEIT

Die Uhrzeit hatte die NPD bewusst gewählt. Gegen 15.30 Uhr marschierte die älteste rechtsextreme Partei Deutschlands gestern vor dem Bundesparteitag der SPD auf. Nach der Tagesordnung sollten um dieser Zeit die SPD-Delegierten im Congress Centrum Hamburg (CCH) einem neuen Fahrplan zum Verbot der NPD zustimmen. Den Rechten passte das gar nicht: Das sei ein „Schaufensterantrag“ vom SPD-Bundesvorsitzenden, der sogleich ein Indiz für den zunehmenden Wandel zum „Ideologiestaat“ sei, „in dem das antifaschistische Credo zur verbindlichen Staatsideologie erhoben“ werde, wetterte die NPD. Die Kundgebung auf dem Dag-Hammer-Skjöld-Platz verlief allerdings nicht wie die NPD-Führung erhofft hatte.

„Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten“ riefen die NPD-Anhänger, als sie vom Bahnhof Dammtor den Platz vor dem CCH betraten. Doch sie skandierten zu sich selbst. Laute Pfiffe, Trillerpfeifen-Lärm und „Nazis Raus“-Rufe empfingen sie. Trotz eines massiven Polizeiaufgebotes waren einige Gegendemonstranten bis auf den Platz gelangt.

Zuvor hatten sich keine hundert Meter Luftlinie entfernt, getrennt von Polizeiabsperrungen, an die 1.100 Gegendemonstranten versammelt – NPD-Gegener aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Punks standen neben älteren Damen, Autonome neben Gewerkschaftern. Sie allen waren einem Aufruf des „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ gefolgt. An die 1.500 Polizeibeamte waren im Einsatz. Wasserwerfer standen bereit. Bis Redaktionsschluss waren die von der Polizei zuvor befürchteten Ausschreitungen von „Linksextremisten“ nicht eingetreten.

Auf der Gegenkundgebung wurde wiederholt vor der NPD gewarnt. „Sie nutzen die Demokratie um ihre undemokratischen Positionen zu verbreiten“, sagte Olaf Harms, Sprecher des Bündnisses. Dem Hamburger Senat warf Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der GAL vor, die rechtsextreme Gefahr immer wieder kleinzureden. Der Verweis des Senats, dass die meisten rechtsextremen Straftaten in der Hansestadt Propagandadelikte seien, dürfe nicht beruhigen. „Ausländerfeindlichkeit ist die Einstiegsdroge“, sagte Möller.

Wolfgang Rose, von Ver.di, warnte vor weiterem Sozialabbau, der den Rechtsextremen Zulauf schaffen würde. Christiane Schneider, von Die Linke, forderte „dieser verfassungsfeindlichen Partei“ das Parteienprivileg zu entziehen.

„Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“, stand auch auf einem Transparent, das die Jusos kurz vor dem Eintreffen der NPD auf dem Platz aufhängten. Doch nicht nur der Empfang verstimmte den Hamburger NPD-Chef Jürgen Rieger, der sich bei Reden mit Journalisten durch Zwischenrufe gestört fühlte. Die Beteiligung der Kameraden musste die extra angereiste Parteiprominenz, wie der Bundesvorsitzende Udo Voigt und Niedersachsens Spitzenkandidat Andreas Molau, auch noch schönreden. An die 150 NPD-Freunde hatte die Partei angekündigt. Gekommen waren knapp 60 Kameraden. „In Niedersachsen machen gerade etliche Mitglieder wieder Wahlkampfaktionen“, versuchte Molau das Fernbleiben der Anhänger zu erklären. Mit der Wahrheit soll der Spitzenkandidat aber gerade so seine Probleme haben. Vor kurzem erklärte er, dass nach einer Forsa-Umfrage die NPD bei fünf Prozent läge. Mittlerweile erwirkte Forsa offenbar eine Unterlassungserklärung. Woher Molau das Forsa-Ergebnis wissen will, wollte er nicht sagen. Seinen Informanten wolle er schützen, erläuterte Molau indes der taz.