: „Frauen sind oft zu leise“
KARRIERE Bei den Mentorinnen-Programmen des Expertinnen-Beratungsnetzwerks der Universität Hamburg geben Führungskräfte ihr Wissen an Jüngere weiter. Zwei Frauen berichten von ihren Erfahrungen
■ 48, ist Bankkauffrau und Diplom-Betriebswirtin. Sie war unter anderem in der Personalentwicklung großer Banken und internationaler Unternehmen tätig. Seit mehreren Jahren berät sie ehrenamtlich Nachwuchskräfte.
INTERVIEW BIRK GRUELING
taz: Studium, guter Abschluss, nahtloser Berufseinstieg. Warum brauchen Sie eine Mentorin, Frau Rosenhagen?
Sünje Rosenhagen: Mir war bald nach meinem Berufseinstieg im Finanzcontrolling klar, dass diese Aufgabe nicht auf Dauer zu mir passen würde. Ich wollte mich beruflich weiterentwickeln.
Frau Wiesner, kommt Ihnen diese Situation bekannt vor?
Birgit Wiesner: Ja. Ich hatte zu Beginn meines Berufslebens einmal das Gefühl, nicht an der richtigen Stelle zu arbeiten. Bei Frau Rosenhagen ging es um berufliche Neurorientierung. Gleichzeitig konnte ich ihr versichern, dass eine gewisse Zeit im Finanzcontrolling eine gute Basis für spätere Führungsaufgaben ist.
Worüber haben Sie sich bei Ihren ersten Gesprächen unterhalten?
Rosenhagen: Viel über meine Erfahrungen aus dem dualen Studium, welche Ziele ich habe und welche Aufgabenbereiche dazu passen könnten.
Wiesner: Wir haben ein Stärken-Schwächen-Profil entwickelt, mögliche Entwicklungspotenziale herausgearbeitet und diskutiert, welche Aufgaben sie übernehmen möchte, mit Kundenkontakt oder nicht, mehr organisatorisch oder mehr strategisch.
Mit welchem Ergebnis?
Rosenhagen: Frau Wiesner stärkte mir den Rücken und ich entschied mich, zunächst weitere Erfahrung im Finanzcontrolling zu sammeln. Danach wechselte ich ins Vertriebscontrolling – dort bin ich bis heute tätig, wenn auch in einem anderen Unternehmen.
Hätten Familie und Freunde genauso gut helfen können?
Rosenhagen: Nein, dem eigenen Umfeld fehlt die Objektivität und oft der Mut für einen klaren Rat. Dieser neutrale Blick und die große Erfahrung sprachen für das Mentoring.
Wiesner: Im Gespräch mit Freunden und Familie gibt es oft Denkverbote, wie zum Beispiel selbst zu kündigen. Bei unseren Treffen haben wir alle Optionen durchdacht.
Nach dem ersten Beratungsgespräch vergingen fast zwei Jahre. Warum haben Sie Frau Wiesner ein zweites Mal kontaktiert?
Rosenhagen: Ich hatte in der Zwischenzeit das Unternehmen gewechselt, und es stellte sich heraus, dass die Kombination aus Aufgaben und Unternehmenskultur sich nicht mit meinen Vorstellungen deckte. Deshalb suchte ich erneut den Austausch mit meiner Mentorin – vor allem im Hinblick auf einen möglichen Jobwechsel.
Wiesner: Gemeinsam haben wir verschiedene Auswege betrachtet. Schnell war klar, dass ein kurzfristiger Unternehmenswechsel stattfinden sollte, aber möglichst mit nahtlosem Übergang. Außerdem haben wir die Anforderungen an den nächsten Arbeitgeber entwickelt.
Rosenhagen: Das Gespräch hat mir gut getan und ein Ziel vor Augen gegeben. Gemeinsam haben wir Bewerbungsstrategien entwickelt, dabei half mir die Personalerfahrung von Frau Wiesner ungemein. Wir haben sogar ein Bewerbungsgespräch geübt.
Wie ging es weiter?
Rosenhagen: Ich konnte schnell das Unternehmen wechseln und bin dort bis heute tätig.
Warum haben Sie sich für ein Mentoring-Angebot für Frauen entschieden?
Rosenhagen: In vielen Unternehmen ist gerade die Führungsebene noch sehr männerdominiert. Da brauchte ich den Rat aus weiblicher Perspektive. Frauen denken bei beruflichen Entscheidungen anders.
Wiesner: Männer werden bei ihrer Karriereplanung einfach mit ganz anderen Dingen konfrontiert.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
■ 28, absolvierte ein duales Studium zur Diplom-Kauffrau und arbeitet heute als Controllerin.
Wiesner: Selbstmarketing und Netzwerken sind bei Männern normaler. Sie gehen offensiver und selbstbewusster in Bewerbungsgespräche und sind im Meeting oft dominanter. Das sind Dinge, mit denen sich Frauen teils noch schwerer tun. Sie punkten lieber über Fachwissen.
Haben Sie Frau Rosenhagen zu mehr Selbstmarketing geraten?
Wiesner: Ja. Ich habe ihr anfänglich geraten, mehr Präsenz in den Meetings zu zeigen. Sie war fachlich fit und bereitete ihre Arbeit genau vor. Außerdem hatte sie eine gute Analysefähigkeit und konnte klar kommunizieren. Ihr Know-how sollte sie allerdings offensiver präsentieren.
Konnten Sie das umsetzen?
Rosenhagen: Ja, ich machte mir noch mehr Gedanken darüber, wie ich mich inhaltlich einbringen kann, und bereitete die Besprechungen intensiver nach. Heute ist es für mich selbstverständlich geworden, dass ich mich in Meetings aktiv und sichtbar beteilige.
Ist Karriere für Frauen in den letzten 20 Jahren einfacher geworden?
Wiesner: Es gibt schon einige Verbesserungen, je nach Branche mehr oder weniger, aber grundsätzlich sind viele Probleme bestehen geblieben. Sei es die ungleiche Bezahlung oder die immer noch schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Außerdem steckt Man(n) hochqualifizierte Frauen immer noch gerne in Schubladen. Wenn sie besonders tough sind, gelten sie als karrierehungrig oder wollen etwas beweisen. Bei Männern gilt das als durchsetzungsstark.
Sind die Frauen von heute selbstbewusster geworden?
Wiesner: Gerade jüngere, hochqualifizierte Frauen haben inzwischen höhere Ansprüche an ihre Arbeitgeber. Sie fordern erfüllende Aufgaben, regelmäßiges Feedback und eine bessere Work-Life-Balance. Dennoch wäre mehr Werbung in eigener Sache für viele wichtig. Frauen sind oft zu leise, wenn es um die Vergabe von Posten geht.