Der Zuckerversteher

Was Zucker mit den Zähnen macht, müssen Kinder spätestens dann lernen, wenn in der Grundschule der Zahnarzt vorbeikommt und mit einem überdimensionalen Gebiss (zur Anschauung) die Geschichte von Karius und Baktus erzählt (zur Abschreckung). Christoph Minhoff (Foto) hat an diesem Tag anscheinend gefehlt. Jedenfalls hat der Geschäftsführer des Bunds für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde ein Problem mit der neuen WHO-Empfehlung zum Konsum von zugesetztem Zucker. Sechs Teelöffel pro Tag sind genug, findet die WHO – und halbiert so den Wert.

Nun bangt Minhoff um das „klassische deutsche Frühstück“. Brot, Marmelade, Saft, Kaffee – all das wird, glaubt man Minhoff, dank der neuen Empfehlung bald verpönt sein. Abgesehen davon, dass sich, was Frühstücksgewohnheiten angeht, italienische oder spanische Minhoffs mehr Sorgen machen müssten, ist seine Argumentation geradezu kunstvoll: Für Karies sei entscheidend, wie häufig und nicht wie viel Zucker gegessen werde. Dass es Zusammenhänge geben könnte – egal. Was Minhoff zum Thema Zucker und Übergewicht zu sagen hat, will da niemand mehr wissen.

Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde hat zwar einen nach unabhängigen Experten klingenden Namen, ist aber der maßgebliche Lobbyverband der Lebensmittelindustrie. Mit dabei: Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen. Die drei decken den deutschen Zuckermarkt fast komplett ab – im vergangenen Jahr gab es Millionenstrafen vom Bundeskartellamt wegen illegaler Absprachen – und den EU-Markt zu etwa 50 Prozent. Viel Geld, viel Zucker. Der übrigens steckt mittlerweile nicht nur in Marmelade, sondern zunehmend auch im Brot. Darum könnte man sich Sorgen machen. SVENJA BERGT