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Archiv-Artikel

Ungeahnte Fähigkeiten

CHAMPIONS LEAGUE Leverkusen gewinnt dank seiner alten Kämpen gegen den FC Chelsea und erreicht mal wieder das Achtelfinale

Ausgangslagen

■ Leverkusen ist sicher fürs Achtelfinale qualifiziert. Auch wenn die Werkself am letzten Spieltag gegen den abgeschlagenen Gruppenletzten Genk verlieren und punktgleich mit Valencia und Chelsea sein sollte, wäre sie weiter, obwohl sie den direkten Vergleich gegen die beiden Teams verloren hat. Im Dreiervergleich nach Punkten – und nur der zählt – wird Leverkusen mit den sechs Punkten aus den zwei Erfolgen über Chelsea und Valencia Gruppenerster. Bayer wird mindestens Zweiter, wenn es beim Spiel Valencia gegen Chelsea einen Sieger gibt.

■ Dortmund hat auch nach der 1:2-Niederlage bei Arsenal London noch eine Chance aufs Achtelfinale. Borussia muss das letzte Gruppenspiel gegen Olympique Marseille mit vier Toren Unterschied gewinnen. Wenn gleichzeitig Arsenal bei Olympiakos Piräus gewinnt, ist der Meister weiter.

LEVERKUSEN taz | Manuel Friedrich hatte reiche Beute gemacht. Das Trikot des großen Didier Drogba hatte der Leverkusener ergattert und den Ball, den er in der Nachspielzeit zum 2:1-Siegtor ins Netz des FC Chelsea geköpft hatte. Erinnerungen an den größten Leverkusener Fußballabend seit Langem. Der Klub erreichte erstmals seit 2005 das Achtelfinale der Champions League, und Friedrich war der gefeierte Held.

Was der Innenverteidiger nach dem Spiel formulierte, klang dennoch erstaunlich kritisch. „Beim Gegentor habe ich zu viel darüber nachgedacht, wie ich ein Foul verhindern kann“, erzählte er, Drogba nutzte diesen Moment der Unentschlossenheit zum 0:1 (48.). Es war Friedrichs erst sein dritter Einsatz in der Königsklasse, der zweite in der Startformation, ein Tor hatte der 33-Jährige, der bald schon durch den Noch-Nürnberger Philipp Wollscheid ersetzt werden soll, auf dieser Bühne natürlich noch nicht erzielt. Sein Siegtreffer war nicht ohne Symbolkraft an diesem Abend, der den einstmals Aussortierten und den für zu alt Befundenen gehörte.

Michael Ballack, der über ein Jahr lang wie ein Fremdkörper in Leverkusen wirkte, führte die Mannschaft an, er war der auffälligste Spieler der Werkself, und zum Ausgleich traf Eren Derdiyok (73.), der Ersatzstürmer, der einfach nicht an Stefan Kießling vorbei kommt.

Nach diesem Abend liegt der Schluss nahe, dass der Ansatz der ersten Saisonphase gescheitert ist. Zunächst hatte Trainer Robin Dutt konsequent auf die Jüngeren gesetzt, den Ärger der Erfahrenen provoziert und wenig Erfolg gehabt. Dutt hat die Qualitäten der Routiniers schätzen gelernt. „Manuel ist in den letzten Wochen ein absoluter Leistungsträger für uns“, sagte Ballack über den einzigen Mitspieler, der ebenfalls schon älter ist als 30 Jahre.

Die Leverkusener haben in den Heimspielen gegen Valencia und Chelsea Rückstände gedreht. In besonders schwierigen Momenten besonders gut zu spielen, das ist genau jene Qualität, die in Leverkusen seit vielen Jahren vermisst wird, vielleicht entwickelt der Klub wirklich gerade einen neuen Charakter, auch wenn Ballack sagte: „Man sieht schon, dass die Unerfahrenheit da ist.“

Es war der Abend der einstmals Aussortierten und für zu alt Befundenen

Den Allerjüngsten kann er aber nicht gemeint haben. Torhüter Bernd Leno hatte mal wieder brillant gehalten und mit waghalsigen Manövern ein zweites Tor der Engländer verhindert. Dennoch verließ der 19-Jährige die Arena mit gemischten Gefühlen. „Ich freue mich mit der Mannschaft, aber am Ende weiß ich gar nicht, ob ich gegen irgendeinen riesigen Gegner im Achtelfinale spielen kann, das wäre natürlich bitter“, sagte er. Leno ist nur bis zum Jahresende vom VfB Stuttgart ausgeliehen.

Dass er gerne bleiben möchte, ist ziemlich klar, zumal ja noch viel mehr drin ist, als nur der Achtelfinaleinzug. Mit einem Sieg in Genk, beim schwächsten Team der Gruppe, wäre Bayer Erster. Der FC Barcelona oder Real Madrid könnten dem Werksklub dann erst im Viertelfinale zugelost werden. Sportdirektor Rudi Völler fand das alles „unglaublich“. DANIEL THEWELEIT