piwik no script img

Archiv-Artikel

Widerstand gegen sozialen Kahlschlag

Die Etatpläne des Sozialressorts treffen vor allem die Jugendarbeit in den Stadtteilen und Frauenprojekte

SPD-Fraktions-Chef Carsten Sieling

„Wegen der Haushaltsnotlage hat die Sozialsenatorin wohl die Pflicht, einzusparen“, sagt Anke Teebken vom Bremer Paritätischen. „Allerdings wäre es auch nicht verkehrt, vorher mit den Betroffenen zu sprechen.“ Das hat das Haus von Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) wohl vielerorts vermieden, bevor die Pläne für ihren Doppelhaushalt 2008/09 öffentlich wurden. Dabei bedeuten sie gerade für viele kleinere Projekte den Todesstoß: Die Beratungsstelle für Multiple Sklerose verliert danach in den kommenden zwei Jahren die komplette Landeszuwendung in Höhe von 38.000 Euro, der Förderverein Schuldenberatung erhält 26.000 Euro weniger, der Landesverband der Sinti und Roma bekommt Zuschüsse in Höhe von 16.000 Euro gestrichen.

Die Mini-Streichposten im 700 Millionen Euro schweren Rosenkötter-Ressort Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales lassen aus den Haushaltsvorschlägen eine Sozial-Giftliste werden. Von „Sozialkahlschlag“ spricht Linksfraktionschef Peter Erlanson. Auch, wenn er an das Minus von 161.000 Euro für die Betreuung von Zuwanderern denkt: „Das ist doch der Hammer: Alle reden von Integration - und dann das!“ Die Kürzungspläne im Frauenbereich regen nicht nur Erlanson auf. „Die Sparvorschläge der Senatorin für Frauen sind falsch!“, ärgert sich die Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe. Der Koalitionsvertrag werde „Lügen gestraft“, wenn Rosenkötter nun 24.000 Euro bei Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution streichen und bei Mütterzentren kürzen wolle. Von einer „politischen Fehlentscheidung“ sprach auch die Beratungsstelle für vergewaltigte Frauen Notruf. Hier will das Land 88.000 Euro weniger ausgeben, Notruf soll abgewickelt und bei Schattenriss integriert werden. Auch bei der Arbeitsmarktförderung will Bremen sparen: 3,3 Millionen Euro aus dem Etat sollen künftig durch EU-Töpfe finanziert werden.

Immerhin sehen Rosenkötters Pläne Etaterhöhungen bei der Kinderbetreuung vor. Dafür muss die Jugendarbeit in den Stadtteilen bluten: Um jeweils 400.000 Euro in den Jahren 2008 und 2009.

Das verstoße gegen den Koalitionsvertrag, ließ SPD-Fraktionschef Carsten Sieling am Montag verkünden. Der sei gerade bei der Jugendförderung eindeutig. „Auch deshalb“, so Sieling, „wird es die vorgeschlagene Kürzung in Höhe von 400.000 Euro nicht geben.“ Bei den Haushaltsberatungen im Februar und März werde es Korrekturen geben, betonte Sieling.

Das würde auch Klaus Fischer, Ortsamtsleiter in der Neustadt begrüßen. „Wir verlieren wesentliche Teile der Jugendförderung“, sagt Fischer. Ein geänderter Zuteilungsschlüssel, der mehr Geld in Stadtteile mit Migrationshintergrund schaufelt, heißt für die Neustadt, dass fast 100.000 der 436.000 Euro für Kinder- und Jugendeinrichtungen im Stadtteil gestrichen wird. Das sind bedeutend mehr als die 6,6 Prozent Minus, mit denen alle Stadtteile im Durchschnitt betroffen sind. Der Schlüssel spiegele „nicht die Verhältnisse in den Stadtteilen wider“, sagt der grüne Jugendpolitiker Mustafa Öztürk. „Die Konsequenz ist klar“, betont Fischer. „Hier müssen Einrichtungen komplett geschlossen werden“, sagt Fischer.

„Die vorgeschlagene Kürzung der Jugendhilfe in Höhe von 400.000 Euro wird es nicht geben“, sagt

Betroffen vom Sparhammer wäre in der Neustadt das Jugendfreizeitheim am Geschworenenweg. Fatal, weil hier vor allem arabischstämmige Jugendliche betreut werden, meint Fischer. Die Beiratssitzung am kommenden Donnerstag hat er in der Hoffnung, dass mehr Jugendliche kommen, um eine Stunde, auf 18.30, Uhr vorverlegt: „Vielleicht“, sagt der Ortsamtsleiter, „lässt ja einer mal Dampf ab.“

Kai Schöneberg