: „Es gibt ein Meinungskartell“
TABU Marktwirtschafts-Lob ist in Deutschland verboten, sagt ein Journalist. Er traut sich trotzdem
■ 70, ist langjähriger Wirtschaftsjournalist und ARD-Autor.
taz: Ihr Buch heißt: „Träum’ weiter, Deutschland. Politisch korrekt gegen die Wand“. Ganz schön alarmistisch, oder?
Günter Ederer: Wir haben neun Billionen Euro direkte und indirekte Staatsschulden. Es gibt 670.000 Geburten pro Jahr, demnächst gehen pro Jahr bis zu 1,4 Millionen Menschen in Rente. Damit wir bei diesen Zahlen nicht kollabieren, biete ich Lösungen an.
Welche denn?
Mehr Eigenverantwortung und weniger Staat.
Sie wollen also die Sozialleistungen kürzen.
In Dänemark liegt das Arbeitslosengeld bei 90 Prozent des letzten Gehalts. Für Menschen unter 26 gibt es nach einem halben Jahr eine Arbeitspflicht, für Erwachsene nach einem Jahr.
Wozu wollen Sie die Arbeitslosen verpflichten?
Jobs entstehen in einem solchen System nach kurzer Zeit automatisch. Wo für Nichtarbeit nicht mehr bezahlt wird, gibt es Arbeit – und keinen Missbrauch mehr.
Arbeitslosen fehlt also der Wille zur Arbeit, Sozialleistungen werden zu Unrecht beansprucht?
Das System lädt zum Missbrauch ein. Denen, die es wirklich nötig haben, können wir dadurch weniger helfen.
Für wie groß halten Sie den Anteil jener, die das Sozialsystem – wie Sie sagen – missbrauchen?
Ein Drittel. Die übrigen zwei Drittel bekommen zwar zu Recht Hilfe, aber es ist die falsche Hilfe.
Sie beklagen „ungeschriebene Sprechverbote“. Kritik an „irregeleiteter Sozialpolitik“ sei „bei Strafe der Verbrennung unzulässig“. Sie haben 23 Preise bekommen, sitzen auf Podien. Wer verbietet Ihnen etwas?
Ich bin bekennender Neoliberaler….
…das wurde bereits deutlich.
…und bei jedem, der in diese Ecke gestellt wird, heißt es: Der muss ja was an der Erbse haben. Es gäbe also ein sozialdemokratisches Meinungskartell?
Ja. Es gibt schon ein Meinungskartell. Gerechtigkeit ist wichtiger als Freiheit. Das wird von kaum noch jemand in dem Medien hinterfragt.
In Ihrem Ankündigungstext für heute ist auch die Rede davon, dass Kritik an Juden und Muslimen verboten sei.
Das wusste ich nicht. Ich habe diesen Text nicht geschrieben. Solches Gedankengut liegt mir vollkommen fern. Mir geht es um die Marktwirtschaft.
Interview: Christian Jakob
19 Uhr Presseclub im Schnoor