: Bremse statt Bazooka
EU-GIPFEL Nach Kabeljau auf Kürbismus setzte sich Angela Merkel mit ihrer Idee der „Stabilitätsunion“ durch
FRITZ W. SCHARPF, POLITOLOGE
AUS BRÜSSEL ERIC BONSE
Der Donnerstagabend begann mit Kabeljau auf Kürbismus und endete Freitag früh im Desaster für London. Als Antwort auf die Eurokrise und ungeachtet der drohenden Rezession einigten sich gestern die 17 Länder der Eurozone in Brüssel auf einen deutsch-französischen Plan, der strengste Budgetdisziplin, härtere Sparauflagen für Krisenländer und die Gründung einer neuen „Stabilitätsunion“ vorsieht. Neun weitere Länder bekundeten Interesse, nur Großbritannien stellte sich quer.
„Uns ist der Durchbruch zu einer Stabilitätsunion gelungen, sie wird nun schrittweise weiterentwickelt“, freute sich Bundeskanzlerin Angela Merkel über ihren Erfolg. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin hatte seit Beginn der Griechenlandkrise vor zwei Jahren neue, härtere Regeln für die Währungsgemeinschaft gefordert. Merkel wollte sie beim Krisengipfel ursprünglich in den EU-Verträgen verankern, scheiterte damit aber in der Nacht zu Freitag am britischen Widerstand. Denn das „Grundgesetz der EU“ kann nur einstimmig geändert werden.
Nun soll der auch „Fiskalunion“ genannte neue Club ohne die Briten vorangetrieben werden. Die 17 Euroländer wollen sich dazu in einem bilateralen Vertrag zu verbindlicher Haushaltsdisziplin verpflichten. Neben einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild sind schärfere Defizitregeln und härtere Kontrollen geplant. Die EU-Kommission soll eine zentrale Rolle bei der Überwachung der „Defizitsünder“ erhalten, das Europaparlament hingegen nur einen Beobachterstatus.
Kritiker sehen darin ein Problem, da die Staaten ihre Haushaltshoheit einschränken und Sparauflagen ohne demokratische Kontrolle verhängt werden könnten. Aus dem Europaparlament kam denn auch bereits massive Kritik. Der SPD-Abgeordnete Bernhard Rapkay warnte, eine Vertragsänderung ohne das Europaparlament könne es nicht geben. Der Chef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, drohte sogar, den Europäischen Gerichtshof anzurufen.
Merkel zeigte sich von dieser Kritik ebenso wenig beeindruckt wie vom Veto der Briten. Sie habe es „bedauert“, dass die Briten nicht mitmachen wollen, doch dies sei bei der Einführung des Euro auch nicht anders gewesen. Entscheidend sei, dass Europa „den Ernst der Lage erkannt“ habe und die richtigen Lehren aus der Eurokrise ziehe. Nun gehe es darum, die verlorene Glaubwürdigkeit „Stück für Stück“ zurückzugewinnen.
Das dürfte allerdings schwierig werden. Denn viele Ökonomen widersprechen Merkels These, die Eurokrise sei vor allem durch überbordende Staatschulden ausgelöst worden. „Von Deutschland kommen die falschen Vorschläge“, kritisiert etwa der Politikwissenschaftler Fritz W. Scharpf. Wie viele Ökonomen ist er der Überzeugung, dass die EU angesichts des Abschwungs mehr Wachstumsimpulse braucht. Allein durch Sparen sei die Schuldenkrise nicht zu überwinden.
Zudem widersetzte sich Merkel allen Versuchen, den Euro-Rettungsschirm aufzustocken. Der EFSF und der neue ESM, der auf Juli 2012 vorgezogen wird, soll bei 500 Milliarden Euro „gedeckelt“ werden, sagte sie in Brüssel. Eine Banklizenz, wie sie Eurogruppenchef Juncker gefordert hatte, soll es ebenso wenig geben wie Eurobonds.
Der Gipfel beschloss lediglich, dem Internationalen Währungsfonds bis zu 200 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, die dann den Krisenländern der Eurozone zukommen könnten. Allerdings ist dies nur eine Absichtserklärung; jede Notenbank kann entscheiden, ob sie mitmacht. Neben der Bundesbank könnte, so die Hoffnung, auch die US-Zentralbank Fed einspringen.
An den Finanzmärkten wurde die Einigung denn auch mit Enttäuschung aufgenommen. Der Euro kam unter Druck, aus der Wall Street kamen bitterböse Kommentare.
Vor allem die USA hatten gehofft, dass die Eurozone eine „Bazooka“ aus der Tasche zieht und – etwa mit Geld aus der Europäischen Zentralbank – die Märkte stabilisiert. Dem hat Merkel nun einen Riegel vorgeschoben – stattdessen wird eisern gespart.