HAMBURGER SZENE VON SVEN-MICHAEL VEIT
: Himmelsrichtung

Jetzt ist sie also Christin. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Mit etwa dreieinhalb Jahrzehnten Verspätung, denn seit ihrer Geburt ist sie Heidin, ungetauft eben.

Etwas ungewohnt sieht sie aus da vorne neben dem Taufbecken in dieser kleinen Kirche auf St. Pauli, über deren Eingang in eisernen Lettern „Himmelsrichtung“ steht. Kostüm, Strumpfhose, Stiefeletten, die halblangen braunen Haare zum Knoten festgesteckt, dezentes Make-Up. Ihr lässig-schicker Schanzen-Look fehlt heute. Sie wirkt ein wenig scheu. Eigentlich ist sie mit dem flotten Mundwerk immer vorneweg, aber jetzt tupft sie sich das Taufwasser von der Stirn und lächelt still vor sich hin.

„Ich bin offen für diesen Weg“, wird sie wenig später sagen beim Brunch. Für sie habe dieser Taufakt „etwas von Gemeinschaft“, sagt sie, „von der Suche nach einem Ort für mich“. Damals, als Jugendliche, als alle anderen konfirmiert wurden, sei das „ein doofes Gefühl“ gewesen, dass sie nicht dazugehöre, so in der Art. Aber jetzt als Erwachsene „glaube ich auf jeden Fall an Engel“, sagt sie, „denn irgendjemand schickt die ja“.

Ein Dutzend Freunde hat sie eingeladen, Glaubenstattoos an sie verteilt: ein Herz mit einem Kreuz und einem Anker und den Worten Glaube, Liebe, Hoffnung. Zur Erinnerung. Drei Tage soll es auf der Haut halten, aber mit Babyöl geht es vorher ab.