: Spitak wird noch nicht eingeebnet
■ Wieder Verschüttete gerettet / Ausländische Rettungstruppen verlassen zerstörte Stadt / Seuchengefahr im Katastrophengebiet / Auseinandersetzungen und Festnahmen in Baku
Moskau / Eriwan / Spitak (dpa/ap) - Die vor zwei Tagen behördlich angeordnete Einebnung der durch das Erdbeben völlig zerstörten armenischen Stadt Spitak ist aufgeschoben worden. Das teilte ein Sprecher des armenischen Außenministeriums am Freitag in Moskau mit, nachdem am Donnerstag wieder drei Verschüttete lebend aus den Trümmern befreit worden waren.
Das Gebiet sei von Truppen abgeriegelt worden, sagte der Sprecher. Dennoch kämen Überlebende immer wieder in die Ruinenstadt, um nach unter den Trümmern begrabenen Angehörigen zu suchen. Die übelebenden Bewohner der Stadt sollen in einer dreitägigen Aktion aus dem Gefahrengebiet evakuiert werden. Der Erste Sekretär der Kommunistischen Partei in Spitak, Nuradian Norig Kritkorianisch, sagte am Donnerstag, mit der Einebnung der Überreste der Stadt, in der 15.000 der 25.000 Einwohner umgekommen seien, werde am Sonntag begonnen.
Während viele ausländische Rettungsmannschaften das Katastrophengebiet verließen, kamen Plünderer in die verwüsteten Gebiete. Laut 'Tass‘ wurden allein am Donnerstag 179 Personen festgenommen, weil sie geplündert oder Hilfsgüter gestohlen hätten.
Ein Arzt vom Niederländischen Roten Kreuz berichtete, wegen der schlechten Hygieneverhältnisse im Katastrophengebiet drohe der Ausbruch von Typhus, Ruhr und Cholera. Journalisten sahen in der stark zerstörten Stadt Leninakan riesige Stapel mit Kalksäcken, die offenbar über die Leichen gestreut werden sollen.
In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ist es angesichts des Nationalitätenkonflikts zwischen Armeniern und Aserbaidschanern zu neuen Auseinandersetzungen gekommen. Wie der Sprecher des aserbaidschanischen Außenministeriums, Elschin Bagirow, sagte, seien insgesamt 247 Personen festgenommen und Waffen sichergestellt worden. Über Baku seien „Sonderzustand“ und nächtliche Ausgangssperre verhängt worden.
Die sowjetische Zeitung 'Sozialistitschekaja Industrija‘ berichtete, daß ein aserbaidschanischer Hilfstransport von Armeniern in Leninakan daran gehindert worden sei, Hilfsgüter abzuladen. Fahrer und Begleiter des Transports seien bedroht worden und der Transport umgekehrt.
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