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Wende an der nicaraguanischen Atlantikküste

Indianerbewegung YATAMA bekam zusammen mit der Uno eine knappe Mehrheit in der Regionalversammlung und zwei Mandate im nationalen Parlament / Indianerführer Rivera setzt auf Versprechen der Uno, vollständige Selbstverwaltung der Gemeinden zuzulassen  ■  Aus Managua Leo Gabriel

Gut gelaunt betrat Brooklyn Rivera, der Anführer der Indianerbewegung YATAMA an der nordöstlichen Atlantikküste Nicaraguas, den Klub der Auslandsjournalisten in Managua. Auch ihm ist das unerwartete Wahlergebnis zugute gekommen. YATAMA und Uno, die sich auf eine Koalition im regionalen Parlament der „Zona Atlantico Norte“ geeinigt hatten, konnten dort mit 26 von 45 Sitzen eine knappe Mehrheit erringen. Im Parlament in Managua konnte YATAMA sogar zwei der drei Mandate gewinnen - auf dem Ticket der sozialchristlichen Partei (PSC). Denn Brooklyn Rivera hatte sich, ebenso wie sein langjähriger Kampfgefährte Steadman Fagoth, zu Beginn des Wahlkampfs für die Sozialchristen entschieden. Erst vierzehn Tage vor der Wahl hatten sie dem Druck der Miskitogemeinden nachgegeben und waren für das regionale Parlament zur Uno übergetreten. Für die Anhänger Riveras hieß das, auf den drei verschiedenen Listen Präsidentschafts-, Parlaments- und Regionalwahl - jeweils unterschiedliche Parteien - Uno, PSC und YATAMA - ankreuzen zu müssen. Das war offensichtlich zu kompliziert: Von den 60.000 registrierten Wählern gingen nur 48.000 zu den Urnen, 25 Prozent der Stimmabgaben waren ungültig.

Obwohl Rivera selbst für keines der zur Verfügung stehenden Ämter kandidiert hatte, gibt er sich als Sieger. „Wir haben angesichts der Unerfahrenheit der Bevölkerung an der Atlantikküste großes Glück gehabt“, gab er zu und fügte in versöhnlichem Ton hinzu: „Mit dieser Mehrheit können wir im Norden und im Süden recht gut mit Mirna Cunningham und Ray Hooker, den gewählten Kandidaten der FSLN für das nationale Parlament, zusammenarbeiten“.

Rivera rechnet nun nicht nur mit einer sofortigen Beendigung des Krieges, der seit 1981 zwischen den aufständischen Miskitos und den Sandinisten getobt hatte. Ihm schwebt sogar vor, die gesamte Atlantikküstenregion zu einer sogenannten „neutralen Zone“ erklären zu lassen, in der es keine Soldaten, sondern nur noch Polizisten geben soll. Auch das 1987 von den Sandinisten verabschiedete Autonomiestatut, gegen das er sich immer wieder ausgesprochen hatte, will er jetzt plötzlich akzeptieren. Allerdings strebt er einige inhaltliche Reformen an: mehr Rechte für die Gemeinden, die auch über die Zueignung der Bodenschätze bestimmen sollen, und eine „genuine Selbstverwaltung“, die weit über die von den Sandinisten vorgesehene Dezentralisierung der öffentlichen Verwaltung hinausgehen soll. Dafür hatte ihm die gewählte Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro während des Wahlkampfs volle Unterstützung zugesagt. „Wir sind zuversichtlich, daß uns die Uno nicht genauso hintergehen wird, wie das die Sandinisten getan haben“, erklärte Brooklyn Rivera, „sollte es aber dennoch dazu kommen, werden wir uns zu wehren wissen“.

Weitere vordringliche Ziele der Vertreter des Bündnisses zwischen YATAMA und der Uno sind die Repatriierung der etwa 6.000 noch in Honduras befindlichen Miskitos, der Wiederaufbau der vom Krieg arg in Mitleidenschaft gezogenen Dorfgemeinden und eine auf Selbstversorgung ausgerichtete Wirtschaft. Die Lösung der Probleme wird nicht leicht sein: Die Speicher in Puerto Cabezas sind leer, und die Miskitos präsentieren der Uno ihre privaten Wirtshaus- und Taxirechnungen. Auch könnten sich die Spannungen zwischen der sandinistischen Armee und YATAMA verschärfen: Die Soldaten befürchten, daß ihnen YATAMA eine Rechnung in Form von Bleikugeln präsentiert.

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