piwik no script img

IWF-Beitritt der UdSSR

■ IWF und Weltbank sollen UdSSR vor Kollaps bewahren / Schwenk in der Finanzpolitik steht bevor / Noch keine Angaben über konkrete Auswirkungen

In den Jahren der Ost-West-Konfrontation wurden in der Sowjetunion die Einrichtungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) als „proimperialistisch“ und „neokolonialistisch“ apostrophiert. Diese stereotypen Vorstellungen und das daraus resultierende unsinnige Herangehen bewirkten u. a. eine starke Isolierung der UdSSR vom Weltwährungssystem.

Offensichtlich hat man in Moskau Konsequenzen gezogen aus einer Wirtschafts- und Währungspolitik, die das Land mehr und mehr einem vollständigen Ruin entgegentreibt. Um dem entgegenzuwirken, ist die sowjetische Regierung seit einiger Zeit bestrebt, ie UdSSR aktiver an der Weltwirtschaft zu beteiligen sowie die Vorteile aus der internationalen Arbeitsteilung und der Interdependenz der Weltwirtschaft zu ziehen. Es geht ihr also um die Überwindung der einseitigen Ausrichtung der sowjetischen Wirtschaft, deren vollständige Öffnung zum Westen. Diese Entwicklung soll nun durch die schrittweise Vorbereitung eines Beitritts der UdSSR zum IWF und zur Weltbank begünstigt werden. Dabei lassen sich die Sowjets davon leiten, daß diese beiden Spezialorganisationen des UNO-Systems die maßgeblichsten internationalen Einrichtungen zur weltweiten Regelung der Währungs- und Finanzbeziehungen, zum Ausgleich des internationalen Zahlungsverkehrs und der Beseitigung von Devisenrestriktionen darstellen.

Von grundsätzlicher Bedeutung für die Sowjetunion dürfte im Falle eines Beitritts die Festlegung ihrer Quote werden, denn davon hängen die Höhe der Kredite und der reale Einfluß in diesen Organisationen ab. Aufgrund seines Wirtschaftspotentials könnte die UdSSR sogar Anspruch auf die Ernennung eines eigenen Exekutivdirektors erheben, so spekuliert zumindest die Zeitung „Moskowskije Nowosti“ in einem Kommentar über Für und Wider eines IWF-Beitritts der UdSSR.

Bevor jedoch eine aktive sowjetische Mitarbeit möglich wird, müssen die sowjetischen Verantwortlichen dem IWF entsprechende Daten wie zum Beispiel über die Gold- und Devisenreserven, die Goldgewinnung, die Zahlungsbilanz, das Nationaleinkommen, die Einzelhandels- und Großhandelspreisindexe, offenlegen. Erstere, entsprechend den KSZE-Festlegungen in Korb 2 auf die Ausarbeitung von Statistiken angewandte Informationen wurden bereits gegeben.

Als weitere nötige Voraussetzungen für den Beitritt werden in der Sowjetunion die Reformierung des Preissystems, die Herstellung gesunder Währungsprioritäten und die allmähliche Konvertibilität des Rubels genannt. Daraus resultiert, daß bis zur formellen Antragstellung der UdSSR sicher noch einige Jahre vergehen dürften, wobei in dieser Zeit von anderen osteuropäischen Ländern gelernt werden könnte. Insgesamt kann die Annäherung der Sowjetunion an IWF und Weltbank tatsächlich dazu beitragen, optimale Varianten für die Lösung der Probleme einer durchgreifenden Wirtschaftsreform in der UdSSR, der Harmonisierung der Ware -Geld-Beziehungen und der Vorbereitung des Landes auf eine volle Einbeziehung in das Wirtschaftssystem zu finden.

Hinsichtlich der angestrebten Mitgliedschaft der UdSSR im GATT werden die informellen Konsultationen mit den Mitgliedsstaaten fortgesetzt, wobei mit einer Antragstellung schon bald gerechnet werden kann.

U. Kurth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen