Stasi und BND in der Volkskammer dabei

■ Regierungsbeauftragter Fischer fordert Auswertung der 400 Stasi-Akten durch eine Unabhängige Kommission / Eppelmann: Vielleicht 40 Abgeordnete waren Spitzel

Berlin (dpa/adn/taz) - Zahlreiche Abgeordnete der neugewählten Volkskammer waren vermutlich jahrelang „Informelle Mitarbeiter“ des früheren Staatgssicherheitsdienstes und arbeiten heute zum Teil für den Bundesnachrichtendienst (BND). Diesen Vorwurf hat der DDR-Regierungsbevollmächtigte zur Auflösung des Amtes für nationale Sicherheit, Werner Fischer, erhoben.

Nach Angaben von Fischer sind die Hinweise auf die frühere Tätigkeit der heutigen Volkskammerabgeordneten für den Staatssicherheitsdienst „so ernstzunehmen, daß man sie nicht ignorieren kann.“ Es handele sich um „Briefe von Mitarbeitern der ehemaligen Stasi“. Zu den Hinweisgebern gehöre „auch ein Mann, der uns im Fall Schnur informiert hat. Alles, was darin zu Schnur stand, hat sich als richtig erwiesen.“ Betroffen seien „nicht nur in der Allianz für Deutschland, auch in der SPD, in der PDS, möglicherweise auch im Bündnis 90 möglich.“

Der amtierenden Ministerpräsident Modrow, Bischof Forck, Minister Ullmann und die Regierungsbeauftragten haben beschlossen, den Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker über die Vorwürfe gegenüber dem BND zu unterrichten. „Gerade weil es um die große Dimension geht, daß der Bundesnachrichtendienst hier in der DDR schon voll aktiv ist“, erklärte Fischer, sei es notwendig, den Bundespräsidenten einzuschalten.

Beabsichtigt ist, wie Fischer gegenüber der taz erklärte, eine unabhängige Institution zu beauftragen, die Akten aller 400 Volkskammer-Abgeordneten einzusehen. Dies könnten Vertreter der Kirche sein. Die Namen sollten nicht öffentlich gemacht werden, die Betroffenen könnten aber im vertraulichen Gespräch mit der Kirche zur Rückgabe ihres Mandates bewegt weren.

Nach Informationen des Vorsitzenden des „Demokratischen Aufbruch“, Rainer Eppelmann, haben allein vier Abgeordnete des Wahlbezirks Erfurts tatsächlich als Spitzel gearbeitet. Eppelmann: „Hochgerechnet auf die Volkskammer wären das rund 40 der 400, die in Stasi-Diensten standen.“ Eppelmann sprach sich dafür aus, die Akten aller 400 neuen Abgeordneten offenzulegen. Auch der SPD-Vorsitzende hält eine unabhängige Untersuchungskommission für notwendig.

Klaus Wendler, Pressesprecher des Regierungskomitees zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit, meinte, „das Problem (sei) doch etwas umfangreicher, das zieht ja einen Kreis nach sich.“ Konsequenterweise müßten auch die Akten über die KandidatInnen für die Wahlen am 6. Mai müßten überprüft werden - „das ist eine Kette ohne Ende“. Wendler räumte allerdings ein, daß der „Wunsch der Wähler“ nach einer Klarstellung bestehe“.

Mit der Frage, ob der CDU-Generalsekretär Martin Kirchner hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter war, hat sich gestern ein Ausschuß des hessischen Landtages beschäftigt. Das Bürgerkomitee Gera wollte dazu keine genaueren Auskünfte geben, weil es zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. „Wir haben den Fehler gemacht, wir haben etwas unterschrieben...“, erklärte ein Vertreter des Bürgerkomitees gegenüber der taz

K.W.