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Kosovo im Aufruhr

■ Haben Serben albanische Kinder vergiftet? / Unruhen flammen erneut auf / Albanische Polizei abgesetzt

Belgrad/Pristina (adn/dpa/taz) - Die seit Jahren von nationalem Streit erschütterte südjugoslawische Provinz Kosovo ist völlig lahmgelegt: Schüler und Studenten boykottieren den Unterricht, fast alle Betriebe arbeiten nicht oder produzieren im Schongang, täglich gibt es Demonstrationen, gewaltsame Abrechnungen zwischen Serben und Albanern sowie Auseinandersetzungen zwischen Albanern und der serbischen Sonderpolizei, die an die palästinensische Intifada erinnern.

In diese angespannte Situation platzte jetzt die Nachricht von einer angeblichen Vergiftung albanischer Schulkinder in der Umgebung von Pristina. Am Donnerstag und Freitag wurden Hunderte von albanischen Kindern von ihren Eltern in die Krankenhäuser eingeliefert. Von verseuchtem Trinkwasser war die Rede und von Reizgas, das Serben in Schulräume und Kaufhäuser geleitet hätten. Mehr als zehntausend Albaner demonstrierten vor den Kliniken gegen diese Ungeheuerlichkeit. In Podujevo machte die albansiche Menge regelrechte Jagd auf die serbischen „Attentäter“. In vielen Städten kontrollierten selbsternannte albanische Ordnungshüter die Passanten.

Das Gesundheitsministerium in Belgrad erklärte am Freitagabend, es gebe „kein einziges Zeichen“ von Vergiftung. Die Zeitung 'Borba‘ berichtete, die Albaner hätten die Epidemie vorgetäuscht und sorgfältig geplant. In allen Krankenhäusern hätten Wächter die angeblich Kranken von der Außenwelt abgeschirmt. Das Fernsehen habe Bilder von Schwerkranken gezeigt, die fröhlich aus den Betten hüpften. Wehrlose Serben seien von Albanern zusammengeschlagen worden.

Die serbische Regierung löste daraufhin die albanischen Polizeireviere in Kosovo auf und setzte serbische Beamte ein. Wieder einmal rollten Panzer durch albanische Orte. Am Sonntag trafen Vertreter internationaler Menschenrechtsorganisationen in Kosovo ein, um die Situation in der Provinz zu untersuchen.

In dieser Woche wird eine weitere Zuspitzung erwartet, weil Serbien den ersten Jahrestag der Aufhebung der Autonomie Kosovos feiern will. Vor einem Jahr hatte die serbische Regierung den Ausnahmezustand über die Provinz verhöngt und Militär gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit eingesetzt, die eine eigene Republik forderte.

D.J.

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