: Kriegerwitwen und Papp-Panzer
■ In Berlin paradierten am Wochenende die „DeserteurInnen“/ Gegen Soldatenpflicht und Dienstjahr
Berlin (taz) — Auch wenn die Himmlischen Heerscharen es dauerregnen ließen: rund 6.000 WehrpflichtgegnerInnen kamen am Samstag zur Berliner „DeserteurInnen- Parade“ gegen „die staatlichen Zwangsdienste und das Militär“.
Berlin, einst Hochburg von Wehrflüchtlingen und Totalverweigerern erwies sich damit erneut als ein Zentrum des antimilitaristischen Widerstandes. Kein Wunder, denn die Bundeswehr hat momentan einen Rachefeldzug gegen die mehr als 40.000 wehrflüchtigen Männer gestartet. Ihnen gibt Verteidigungsminister Stoltenberg (CDU) kein Pardon: sie müssen bis zur äußersten Altersgrenze von 32 Jahren antreten. Konkret bedroht sind 14.497 in Westdeutschland erfaßte Männer.
Unter den DemonstrantInnen waren besonders viele junge Menschen im Schüleralter — darunter viele Frauen: schließlich ging es auch gegen die von der christ-liberalen Bundesregierung angepeilte Dienstpflicht für Frauen. Veranstalter der humorvollen und satirischen Demo war die „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“, ein Bündnis von mehr als 60 Gruppen und Organisationen. Da gab es einen leibhaftigen NVA-Konteradmiral a.D. in Uniform und einige seiner ehemaligen Soldaten, da rollten kleine Panzerchen aus Möbelkartons, paradierten falsche Kriegerwitwen, salutierte eine Brigade „Hypertauglich“ und mit Haushalts- Sieben behelmtes Junggemüse. Die Polizei ließ sich von der harmlosen Buntheit nicht beeindrucken, sondern fuhr Dutzende von Wannen auf. Auf der Abschlußkundgebung forderte Christian Herz von der „Kampagne“, daß die Berliner die Einberufungen ignorieren sollten: „Die Bundeswehr ist in ihrer schwersten Legitimationskrise, geben wir ihr den Gnadenstoß!“ Die Bundeswehr dürfe nicht im Golf eingesetzt werden. Katrin Köller, ebenfalls von der „Kampagne“, und der Berliner Pfarrer Dieter Paul wandten sich gegen das Job-Killing im Sozial- und Pflegebereich und eine mögliche Dienstpflicht für Frauen. Die Rüstungsausgaben der BRD seien eine „Kriegserklärung gegen das eigene Volk, die Nachbarländer und die Dritte Welt“, meinte Paul.
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