: Typisch - Die neuen Mädchen
■ Frauen erobern immer mehr Männerberufe, aber die Eroberung hält sich in Grenzen. Das ist ein Fazit einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die unser qualifizierter Mann aus Nürnberg...
Frauen erobern immer mehr Männerberufe, aber die Eroberung hält sich in Grenzen.
Das ist das Fazit einer Studie des Instituts
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die unser qualifizierter Mann aus Nürnberg, BERND SIEGLER, sorgfältig studiert hat.
D
ie hat's wohl nötig“, hören Frauen oft, wenn sie sich im Berufsleben stark engagieren. Wollen sie gar einen technischen Beruf ergreifen, kommt es noch ein Stück härter. „Ja muß die denn einem Mann den Arbeitsplatz wegnehmen“, heißt es dann hinter ihrem Rücken. „Bis zur tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz ist es noch ein langer Weg“, lautet denn auch das Fazit von Bundesbildungsminister Ortleb. Jetzt will er Abhilfe schaffen.
Unter dem Motto: „Typisch — Die neuen Mädchen“, bläst der Mann aus dem Osten zur Offensive, um der Konzentration der weiblichen Auszubildenden auf die „typischen“ Frauenberufe Friseuse, Arzthelferin, Verkäuferin oder Bürokauffrau bzw. Sekretärin den Kampf anzusagen. Die Slogans in den Hochglanzbroschüren aus dem Hause des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft scheinen zwar der Werbeabteilung der Frauenzeitschrift Brigitte entsprungen zu sein. „Frauen können mehr“, „Mädchen nehmen ihr Leben in die Hand“ oder „Mädchen von heute wissen, was sie wollen, und sie wollen zeigen, was sie können“, heißt es da. Doch der Minister meint es ernst. Er verweist darauf, daß in der ehemaligen DDR über 90 Prozent der Frauen erwerbstätig waren, viele von ihnen im gewerblich-technischen Bereich. Eindringlich fordert er deshalb die Frauen auf, nicht lockerzulassen. „Stellen Sie selbst die Weichen für Ihre Zukunft“, rät er, denn in vielen technischen Berufen seien „die Aussichten — auch für Mädchen — gut“.
Damit sie noch besser werden, hat Ortlebs Vorgänger, der jetzige Wirtschaftsminister Möllemann, eine „Arbeitshilfe für Ausbilder und Ausbilderinnen“ zum Thema „Mädchen in technischen Berufen“ als Ergebnis eines fünfjährigen Modellversuchsprogramms erstellen lassen. Darin wird mit der Meinung aufgeräumt, „Eignung“ sei eine unveränderbare, ja möglicherweise geschlechtsspezifische Eigenschaft, und Körperkraft sei nur abhängig von Größe und Gewicht. Als konkrete Anregung zur organisatorischen und didaktischen Veränderung der Ausbildung steht Möllemann den Unternehmen zum Beispiel in punkto Arbeitskleidung mit folgendem Rat zur Seite: „Erfahrungstatsache ist dabei, daß oft kleine Herrengrößen passender sind als handelsübliche Damengrößen.“
Eroberung hält sich in starken Grenzen
Die Frauenbeauftragte der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), Annelore Chaberny, wollte sich nicht bei Konfektionsgrößen aufhalten, sondern hat im Rahmen einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei der Bundesanstalt aufzuspüren versucht, wie weit die Emanzipation der Frauen bei der Berufswahl vorangeschritten ist. „Frauen erobern die Männerberufe“, lautet zwar ihr Ergebnis, doch die Eroberung hält sich in starken Grenzen. So hat sich die Zahl der weiblichen Auszubildenden in sogenannten „Männerberufen“ von 1977 bis 1990 in den alten Bundesländern nahezu verfünffacht. Doch ihr Anteil liegt damit immer noch bei mageren 9,1 Prozent (1977: 2,0 Prozent). Als „Männerberufe“ gelten solche, in denen es weniger als 20 Prozent weibliche Auszubildende gab. In manchen „Männerberufen“ haben die Frauen gar die Männer überholt. Führten Frauen bei der Ausbildung zum Kaufmann/frau im Eisenbahn- und Straßenverkehr 1977 mit einem Anteil von 3,4 Prozent noch ein kümmerliches Schattendasein, bilden sie 1990 mit mehr als zwei Dritteln der Auszubildenden die klare Mehrheit. Auch die Azubis zur Schriftsetzerin, Restaurantfachfrau, Konditorin sowie Druckformherstellerin und Chemigrafin haben ihre männlichen Kollegen längst überrundet. Vom lupenreinen „Männerberuf“ zur alleinigen Frauendomäne sind gar die Emailleschriftenmaler und Biologiemodellmacher geworden.
Manche Berufe bleiben trotzdem männlich
„Die Ausbildung von Frauen in ehemaligen Männerberufen gewinnt langsam, aber kontinuierlich an Gewicht“, folgert die Frauenbeauftragte der Bundesanstalt für Arbeit aus dem erhobenen Zahlenmaterial. 1977 gab es z.B. 186 Ausbildungsberufe, die als „Männerberufe“ galten. Dreizehn Jahre später ist bei fünfzig dieser Ausbildungsberufe — das ist mehr als ein Viertel — von „Männerberufen“ nicht mehr die Rede. Doch innerhalb dieser „Männerberufe“ konzentrieren sich die Frauen auf sehr wenige. Rund die Hälfte aller weiblichen Auszubildenden in „Männerberufen“ wollten Gärtnerin, Köchin, Konditorin, Restaurantfachfrau, Bäckerin, Tischlerin/Holzmechanikerin oder Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb werden.
Doch diese Zahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Anteil der Frauen gerade in den als zukunftsträchtig geltenden Metallberufen (2,8 Prozent) und Elektroberufen (3,4 Prozent) nach wie vor sehr gering ist. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung stellt hier gleichwohl in den letzten Jahren eine „beachtenswert positive Entwicklung“ fest. Die Zahl der weiblichen Auszubildenden ist demnach in den Metallberufen zwischen 1987 und 1990 um 16 Prozent, in den Elektroberufen um 10 Prozent gestiegen. Manche Berufe bleiben aber unangefochtene Männerdomänen. Unter den angehenden Revierjägern, Natursteinschleifern, Hoblern oder Leichtflugzeugbauern fand sich auch 1990 keine einzige Frau. Zu den Binnenschiffern, Elektroinstallateuren, Karosseriebauern oder Forstwirten verirren sich nur wenige weibliche Auszubildende.
Es geht weniger um die Angst vor Technik
Chaberny folgert deshalb aus dem Zahlenmaterial, daß zwar die „angestrebte Erweiterung des Berufswahlspektrums für Frauen in Gang gekommen“ sei, sich aber für viele noch zu langsam vollziehe. Ob sich eine Frau letztendlich für eine Ausbildung in einem für sie eher untypischen Beruf entscheidet, hängt von vielen Faktoren ab: zum Beispiel, ob ihr nach der Ausbildung auch ein adäquater Arbeitsplatz angeboten wird, ob ihr ähnlich günstige Beschäftigungsbedingungen wie im Dienstleistungsbereich eingeräumt werden, ob ihr nach einer sogenannten Familienpause eine Rückkehr auf entsprechende Arbeitsplätze ermöglicht wird und ob ihr auch Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet werden. Es geht also weniger um Angst vor der Technik, sondern eher um ein entsprechendes Umfeld und adäquate Bedingungen am späteren Arbeitsplatz.
Eine Fülle von Problemen, die der weiteren Erforschung durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung harren. Auch verläßliche Zahlen für die neuen Bundesländer sind dringend vonnöten. Dort, wo der Anteil der Frauen an den Arbeitslosen mittlerweile fast zwei Drittel ausmacht, stellt sich für viele Frauen die Frage der Ausbildung in „frauenuntypischen“ Berufen angesichts fehlender Zukunftschancen erst gar nicht. Denn im technischen Bereich werden Arbeitsplätze für Frauen zuerst gestrichen.
„Frauen über die Erstausbildung den Zugang zu qualifizierten ,Männerberufen‘ zu schaffen ist deshalb eine notwendige, keinesfalls aber hinreichende Bedingung für eine nachhaltige Verbesserung ihrer Chancen am Arbeitsmarkt“, lautet Chabernys Fazit. Aber mit Sprüchen wie „Mädchen nehmen ihr Leben in die Hand“ (Ortleb) sind hinreichende Bedingungen kaum zu schaffen.
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