Spitzenumsatz mit RTL-Rüschen

■ Die "Traumhochzeit" mit Linda de Mol ist eine Werbesendung für Brautkleider mit Gütesiegel

Reality-TV holt die Wirklichkeit ins Fernsehen. Die Wirtschaft holt das Fernsehen in die Wirklichkeit. Die Autofirma Daihatsu bewirbt ihren „Feroza“ in einem Radiospot als „Auto aus der Traumhochzeit“, ein Brautmodenhersteller darf seine drei Kleider-Programme „Madonna“, „Lop“ und „Roxy Life“ mit dem „RTL-Gütesiegel“ verkaufen. (Öffentlich-rechtlich klappt das noch nicht so gut: Der Streit zwischen dem ZDF und dem Hersteller von „Guldenburg“-Schinken wird demnächst das Verfassungsgericht beschäftigen.)

In keiner Sendung des deutschen Fernsehens fließen die Rührungstränen so sturzbachartig wie in der RTL-„Traumhochzeit“ mit Linda de Mol. Wenigstens am Sonntagabend im Fernsehen ist die Welt noch heil: Pärchenidyll statt Hetero-Terror, die Wirklichkeit der alleinerziehenden Mütter und steigender Scheidungsraten wird im Rüschenrausch ausgeblendet. So heiraten wie im Fernsehen, dies mußte auch für diejenigen Brautpaare möglich werden, die den Sprung in Lindas Sendung nicht schaffen. Deshalb führen jetzt 79 ausgewählte Brautmodengeschäfte in der Bundesrepublik die „ausgezeichneten RTL-Traumhochzeits-Brautkleider“ – nur 79 von insgesamt rund 2.400 (ja, meine Güte, wieviele heiraten denn täglich, daß die alle existieren können, fragt sich die säzzerin) Fachgeschäften in Deutschland, denn auf Exklusivität legt der Sender großen Wert. Pro Stadt erhält nur „ein ausgesuchtes Haus“ den Zuschlag. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste Braut im Land? Na, die aus der „Traumhochzeit“, ist doch klar?

Doch wer die originalen RTL- Modelle im Programm führen möchte, muß ganz ordentlich Lizenzgebühr an den Sender abdrücken. Der Deal lohnt sich für alle Beteiligten: der Hersteller und die Einzelhändler setzen mehr um, der Sender kassiert mit und – last, but not least – die glückliche Braut darf sich am Hochzeitstag zumindest fast wie ein Fernsehstar fühlen.

Flimmert die „bezaubernde“ Linda de Mol über den Bildschirm, darf Uwe Gralky vom Hochzeitsausstatter „egro“ in Köln keine Sendung versäumen, will er verkaufstechnisch auf dem laufenden sein. Wie würde er sonst dastehen, wenn wieder eine Kundin nach dem Modell fragt, daß die Sieger- Braut Gabi in der letzten Folge trug. Zur Zeit hat die „Traumhochzeit“ Pause und er kann seine Sonntagabende wieder nach Lust und Laune gestalten, doch weitere Folgen sind geplant. „Im Vergleich zu einer Werbeminute im Fernsehen“, erklärt Gralky, „sind die Lizenzgebühren spottbillig.“ Sobald feststeht, welche Modelle in der nächsten Sendung getragen werden, bestellt er die Kleider beim Händler, denn, so meint der Experte, „viele Kundinnen schauen die Sendung nur wegen der Kleider an und kommen direkt anschließend zu uns“.

Nur böse Zungen behaupten, RTL habe mit der „Traumhochzeit“ den dummen Groschenroman in Fernsehbilder umgesetzt. Wahr ist vielmehr, daß manche „Traumhochzeits“-Kandidaten noch dümmer als Lore-Figuren sind: Tatsächlich sind schon Bewerber für die Sendung wegen zu bescheidenem Intelligenzquotienten abgelehnt worden.

Ein Schild mit der Aufschrift „Traumhochzeit – official shop“ lockt bei „egro“ diejenigen Paare in den Laden, die es nach einem telegenen Ja-Wort gelüstet, denn auch für den Bräutigam hält man original Fernseh-Outfits bereit.

Die „Traumhochzeit“-Bräute, die sich ihre Kleider aus der großen Kollektion des Herstellers selber aussuchen dürfen, sind bereits zu echten Trendsetterinnen geworden: Besonders gefragt ist zur Zeit ein langes, rotes Modell mit Pailletten-Corsage und Tüllrock, ein extravagantes Stück für 1.990 Mark. Modisch unterscheiden sich die Modelle in der Regel nicht von den Kleidern anderer Hersteller. In diesem Jahr dominieren Wildseide und Schleppen. Für das nächste Jahr kündigt die Branche Tüll- Träume an. Doch nur wo RTL draufsteht, ist auch RTL drin. Daher steht das Signet des Kölner Senders in rot-blau-gelben Lettern auf jedem Kleiderbügel und als Aufnäher in jedem Kleid. A. B. Clasmann