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In den Startlöchern

■ »Südländische Begeisterung« bei der SPD / CDU-Fischer wird getragen, FDP-Vogel manövriert sich aus / Ruhe vor dem Sturm bei der GAL

Das Chaos innerhalb der Hamburger Parteien ist auch am zweiten und dritten Tag nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht geringer geworden. Daran änderten auch die Marathonsitzungen der jeweiligen Gremien nichts. Eher im Gegenteil: Bei den Geschäftsstellen von FDP und CDU sind entweder die Telefone besetzt oder die wichtigen Herren nicht erreichbar.

Anders bei der SPD und der GAL. Die Sozialdemokraten pfeifen im dunklen Keller und machen auf optimistisch. „Mit südländischer Begeisterung“, so Landesgeschäftsführer Werner Loewe, habe der Parteivorstand am Mittwochabend den amtierenden Ersten Bürgermeister Henning Voscherau als Spitzenkandidaten für die Neuwahl zur Bürgerschaft vorgeschlagen.

Nur wann sie stattfinden soll, ist auch den Genossen unklar. Einigkeit habe zwar darüber bestanden, daß sich die gegenwärtige Bürgerschaft auflösen und eine neue für vier Jahre gewählt werden sollte. Für Loewe bleibt aber die Frage offen, ob die Abgeordneten für die Auflösung überhaupt noch ein Mandat haben.

Voscheraus Gegenspieler als Bürgermeisterkandidat dürfte, nach der gestrigen politischen Entwicklung in Bonn, Dirk Fischer sein. Der CDU-Landesvorsitzende galt als ein möglicher Nachfolger für den lange schon zum Rücktritt aufgeforderten Bundesverkehrsminister Günther Krause. Dieser Rücktritt wurde gestern vollzogen, aber neuer Verkehrsminister wurde Matthias Wissmann. Damit führt in Hamburg kein Weg an Fischer vorbei. Gegenüber der Nachrichtenagentur ddp erklärte er, wenn andere Alternativen für einen Spitzenkandidaten sich nicht realisieren ließen, stehe er als Landesvorsitzender in der Pflicht. Und die Alternativen haben reihenweise abgewunken. Martin Willich stellt sich taub und will Rufe nicht erhören, Volker Rühe bleibt lieber in Bonn, Treuhand-Chefin Birgit Breuel hat keinen Bock auf den Hamburger CDU-Klüngel.

Chaos auch bei der FDP. Während ihr Landesvorsitzender Robert Vogel am Mittwoch die Bürgerschaftssitzung als „informelle Zusammenkunft“ bezeichnete, weil die Abgordneten mit der Urteilsverkündung ihre Mandate verloren hätten, beantragte seine Fraktion die Auflösung der Bürgerschaft. Bei den Liberalen ist dadurch ein völliges Durcheinander ausgelöst worden. Der Landesvorstand hatte am selben Abend einstimmig den Fraktionsantrag unterstützt. Hat Vogel seine Meinung geändert? Kai Sengbusch, Vogels Referent, sagt nein. Die Rechtswirksamkeit des Urteils trete erst mit dessen schriftlicher Ausfertigung ein und das dauere noch Wochen. Bis dahin sei die Bürgerschaft zwar „formal beschlußfähig“, aber „faktisch nicht legitimiert“.

Nach dieser Auskunft zieht Vogel allerdings noch einmal seine Anwälte zu Rate und läßt wenige Minuten später mitteilen, seine Erklärung vor der Bürgerschaft habe weiterhin Gültigkeit. Es gebe keinen Widerspruch zwischen dem Fraktionsbeschluß und seiner Meinung, und die werde er „auf ewig“ vertreten. Fraktion und Landesvorstand sind über diese Alleingänge Vogels außerordentlich verärgert. Schon deshalb dürfte er sich als Spitzenkandidat seiner Partei disqualifiziert haben. Wer die FDP ins Rennen führen wird, entscheidet sich ohnehin erst in den kommenden Wochen. Bei den Liberalen werden die Kandidaten nicht vom Landesvorstand, sondern von den Parteikreisen vorgeschlagen.

Relative Gelassenheit herrscht beim Landesverband der GAL. Sprecherin Jutta Biallas geht von einer zukünftigen Rot-Grünen-Koalition aus. Über Wahlplattform und Kandidaten wird aber erst in einigen Wochen diskutiert. Dabei stehen jedoch harte Konflikte ins Haus, der biederen Fraktion wird dann ans Leder gegangen. Jutta Biallas sagt klipp und klar, daß es bei Koalitionsverhandlungen nicht nur um Hamburger Themen gehen könne. Stimmrecht im Bundesrat, Asyl- und Friedenspolitk sind für sie ebenso unabdingbar. Norbert Müller

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