Neu im Kino: „Waterland“

■ Schau mir in die Augen, Kleiner

Weil seine Schüler sich keinen Deut für die Französische Revolution interessieren, beginnt ein Lehrer im Geschichtsunterricht Geschichten zu erzählen. Es sind seine Erinnerungen an seine Vorfahren und Jugend im englischen Schwemmland, den „Fens“ (dem „Waterland“) — Erinnerungen an lang verborgene Geheimnisse, Skandale und Morde.

Das alles sind Vorkommnisse, die ihn sowie seine Jugendfreundin und jetzige Ehefrau formten und immer noch in ihrem Bann halten, so daß wir zusammen mit den Schülern den Lehrer von heute durch seine alten Geschichten kennenlernen.

Diese Konstruktion verlangt natürlich nach einer sehr verschachtelten Erzählweise voller Rückblenden, Querverweise und versteckten Andeutungen. Aber der amerikanische Regisseur Stephen Gyllenhaal war in seinem Ehrgeiz, eine möglichst „europäisch“ wirkende Verfilmung des Romans des Briten Graham Swift zu inszenieren — was immer US- Regisseure sich darunter vorstellen mögen — , manchmal schon zu smart, um einen wirklich smarten Film zu drehen.

Einmal läßt er etwa die Schulklasse aus Pittsburgh samt dozierendem Lehrer auf einer Kutsche in einem englisches Dorf aus den Tagen des ersten Weltkrieges umherfahren; später trifft der Lehrer gar sich selbst als Jugendlichen und beide schauen sich kurz tief und geheimnisvoll in die Augen. Dies sind natürlich nur Kinotricks aus denen nach kurzer Irritation nichts folgt.

Aber von diesen kleinen Sünden abgesehen, ist Gyllenhaal der Film gelungen. Die verschiedenen Zeitebenen werden mit wenigen Bildern und Szenen überzeugend lebendig gemacht, und Jeremy Irons, der Vorzeige-Brite Hollywoods, ist in seiner nachdenklich rätselhaften und sehr englischen Art die Idealbesetzung für den schlechten Lehrers, aber guten Geschichtenerzähler Tom Crick.

Wilfried Hippen

Schauburg, täglich um 16.30, 18,30, 20.30 sowie 22.30 Uhr